Inhalt von Nr. 02:

 

1. Das Dingelstädter Stadtwappen

2. Ein Beitrag der DDR-Stadt-CDU - zur Ruhigstellung und Motivierung der Dingelstädter -         Dingelstädt auf dem Weg ins Morgen

3. Der Gesangbuchstreit - Ein Beispiel für den Glaubenseifer der Eichsfelder

4. Bitte um Mitgestaltung dieser Familienzeitung

5. Erste Vorstellung zur Person: Heinrich Hucke

6. Eichsfelder Mundart: Der Ziegenmord

7. Eichsfelder Mundart: Franz und seine Annegret

8. Eichsfelder Mundart: Mission und Alkohol

9. Eichsfelder Mundart: Der Einzigste

 

Das Dingelstädter Stadtwappen

 

An dieser Stelle wurde einst Gericht gehalten . Dingelstädts Name (Thingstätte) und Wappen weisen auf Historisches

 

Als Dingelstädt im Eichsfeld, 1607 zum Marktflecken erhoben, am 14. Februar 1859 die Stadtrechte verliehen bekam, sahen die Stadtväter die Zeit gekommen, sich nach einem neuen Wappen, eben einem Stadtwappen, umzuschauen. Man entschied sich für einen von einem eisernen Ring umgebenen Eichenbaum als künftiges und bis heute gültiges heraldisches Symbol der Unstrutstadt; die Eiche für den geheiligten Baum einer Gerichtsstätte, der um den Stamm reichende Ring als Zeichen der umfriedeten Gerichtsstätte. Dieses Wappen erinnert somit bis in unsere heutige Zeit an die einstige Bedeutung dieses Eichsfeldortes als ehemalige Thingstätte.

Schon der Name Dingelstädt verweist auf jene hier ausgeübte Gerichtsbarkeit, heißt doch „Ding“ (Thing) Volksversammlung oder Gerichtsversammlung. Nicht allein aus dieser Namensdeutung beziehen die Regionalforscher die Annahme, dass Dingelstädt ehedem Thingstätte war. Dingelstädt lag im Zentrum des alten „Eichsfeldgaues“. Und in der Regel hatten die Gerichte, denen Gau- bzw. Sendgrafen vorstanden, mitten im Gau ihren Platz. Urkundlich verbrieft ist ferner, dass Kurmainz gleich nach der Übernahme der Oberhoheit für das Eichsfeld in Dingelstädt ein „Landding“ hatte. Dieses Gericht entschied zum Beispiel über einen Streit zwischen Ernst von Lengefeld und dem Abt des Klosters Reifenstein im Jahre 1309. „Zu den Akten gegeben in Dingelstädt in der Volksversammlung im Jahre 1325“ ist in einer alten Urkunde zu lesen.

In den „Denkwürdigkeiten des Marktfleckens Dingelstädt“ ist die Rede von drei Landgerichten, die im Jahr jene von Gleichenstein in Dingelstädt abhalten ließen. Dies Landgericht entschied bis zum Jahr 1534 über Recht und Ordnung in Dingelstädt und den umliegenden Dörfern Silberhausen, Küllstedt, Kefferhausen, Wachstedt, Anrode, Effelder und anderen, später untergegangenen Dörfern. Das Wappen, das Dingelstädt im Mittelalter führte, zeigte ein Richtbeil.

 

 

 

Wenn wir heute in alten Zeitungen blättern treffen wir oft auf Dinge, welche bei uns in Vergessenheit geraten sind.

Obwohl die DDR noch keine 25 Jahre Geschichte ist, haben wir hier vieles verdrängt bzw. sind wir heute dabei viele Dinge mit nostalgischer Brille zu sehen. Im Thüringer Tageblatt von 1970, einer Zeitung der DDR-CDU, fand ich diesen Artikel, welcher anschaulich beschreibt, wie die damalige planmäßige Mangelwirtschaft mit schönen Worten doch noch zu einer Erfolgsgeschichte gemacht wurde. Zur Erinnerung habe ich den Artikel hier noch einmal im Originaltext veröffentlicht:

 

Thüringer Tageblatt vom 30.05.1970 – Dingelstädt, vor 42 Jahren im Sozialismus schön geredet.

 

Ein Beitrag der Stadt-CDU - zur Ruhigstellung und Motivierung der Dingelstädter

Dingelstädt auf dem Weg ins Morgen

 

Zigarrenrauchern darf man diese Frage stellen, allenfalls noch jungen Leuten, die ihre modernen Sitzmöbel aus Dingelstädt schätzen, aber nur ganz wenigen modebewussten Damen, denen das eingenähte Schildchen mit der Bezeichnung „EOW“ im pflegeleichten Pulli nur eine vage Vorstellung davon vermittelt, dass die zarten Gebilde für sie im VEB Thüringer Obertrikotagenkombinat Apolda, Werkbereich Dingelstädt – wie es korrekterweise heißt -, hergestellt wurden. Thüringenurlaubern aber sollte man diese Frage nach der Stadt stellen. Denn schon lange liegt Dingelstädt nicht mehr abseits der großen Straßen. Aber bleiben wir zunächst einmal in dieser Stadt, deren Profil von den eingangs erwähnten Industriebetrieben bestimmt wird. Aus alten Chroniken habe ich (Verfasserin) erfahren, dass Wollwaren und Zigarren schon vor Jahrhunderten in Dingelstädt produziert und gehandelt wurden. Eine bevorzugte Stellung unter den wenigen Städten des Eichsfeldes hat sie allerdings nie eingenommen. Über die tieferen Ursachen geben die Akten und Dokumente der Stadt, soweit sie nicht bei den zahlreichen Bränden Dingelstädts

 

vernichtet wurden, Aufschluss. Beim Blättern in der Chronik Dingelstädts bin ich übrigens auf den wesentlichen Unterschied zwischen dem ersten und dem jüngsten Kapitel aus der Geschichte der Stadt gestoßen. Es ist vor allem das Wort „Stadtfamilie“, das mir aus der Chronik des letzten Jahres auffällt, während ich in denen der vergangenen Jahrhunderte vergleichsweise keinen ähnlichen Ausdruck finden würde. Offengestanden such ich auch nicht ernsthaft danach: In dieser Aufzählung der Ereignisse, der mühsamen und durch Kriege, Brände und immer wieder kehrenden Notzeiten häufig unterbrochenen Entwicklung des Marktfleckens Dingelstädt zur Industriestadt dürfte kaum ein Satz enthalten sein, in dem der Ortschronist von einer „Stadtfamilie“ spricht. Zwei Chroniken scheinen in dieser Stadt geschrieben worden zu sein, oder um es genauer zu sagen: Während die eine in uralten Akten, Lehnbriefen, Zunftordnungen und anderen Dokumenten mehr Feudalgeschichte erzählt, berichtet die andere davon, wie die Bürger Dingelstädts begonnen haben, ein neues Kapitel ihrer Stadtchronik zu schreiben. Doch um dieses Kapitel richtig zu verstehen, sollte man die vorangegangenen kennen. Das Eichsfeld ist seit altersher von wichtigen Handelsstraßen durchzogen und bildete einst die Verbindung zwischen den Hansestädten und den Orten in Süddeutschland. Der alten Hansestraße von Lübeck über Braunschweig, Heiligenstadt und Mühlhausen bis Eisenach und einer zweiten alten „Reichsstraße“ von Langensalza nach Göttingen hat es Dingelstädt im Wesentlichen zu verdanken, dass sich hier gern Händler, Krämer und Wollweber niederließen, die gute Absatzmöglichkeiten fanden und dem Ort zu bescheidenem Wohlstand verhalfen. Mit diesem Aufschwung der Entwicklung des Handels konnte Dingelstädt neben Heiligenstadt als wirtschaftlich und kulturelles Zentrum des Eichsfeldes, das nicht umsonst als „Armenhaus Deutschlands“ bezeichnet wurde, profitieren. Doch dessen jahrhundertelange bewusste Vernachlässigung in jeder Beziehung hatte sich bitter gerächt: „Das Los der Dingelstädter war Abwanderung und Hausiererhandel“, heißt es in einem Bericht noch vor hundert Jahren. Das gleiche Los traf auch die Einwohner anderer Orte dieses Landstriches, der seine Bewohner nur kümmerlich ernährte, und wer ihm den Rücken kehrte, tat es meist unwiderruflich. Bettelnde Kinder waren hier offensichtlich nichts Ungewöhnliches; denn Goethe bemerkt in seinem Reisetagebuch, das ihn stets – so auch bei seinen

Fahrten durch das Eichsfeld – begleitete, noch in einer Eintragung vom 6. Juni 1801, dass sich, sobald er ins Eichsfeldische kam, die Bettelkinder einfanden. Möglicherweise kein ungewohntes Bild zu dieser Zeit in Deutschland, aber hier in diesen Orten doch zum Alltag gehörend. Die bittere Armut der Eichsfelder war einer der vielen Gründe, weshalb sie sich Jahrhunderte zuvor (übrigens fast auf den Tag genau vor 445 Jahren) den aufständischen Bauern um Thomas Müntzer zum Sturm auf Mühlhausen anschlossen, damit sich zu Trägern der gleichen Idee machend. Auch in Dingelstädt wurde ein bedeutsames Kapitel des Großen Deutschen Bauernkrieges geschrieben, von dem Friedrich Engels später „als von der radikalsten Tatsache in der deutschen Geschichte“ schrieb. Den revolutionären Thesen von 1525 schlossen sich unmittelbar Reaktion und Restauration, aber auch die beginnende industrielle Entwicklung an. In Dingelstädt entstanden kleine Webereien, Spinnereien, Zigarrenfabrikationen. Mit der wirtschaftlichen Bedeutung wuchs auch die Zahl der Einwohner, 1859 erhielt die Gemeinde das Stadtrecht.

*

Und nun also ein neues Kapitel, das die Bürger Dingelstädts ihrer Stadtchronik hinzufügten. Anlass war der 20. Geburtstag der Republik, als die „Stadtfamilie“ daranging, Häuser und Parks zu verschönen, Straßen und Wege zu bauen, Kindern und Alten eine freundliche Umgebung zu schaffen –kurz: sich selbst das schönste Geburtstagsgeschenk zu bereiten. Der Abschluss ihrer großen Aktion, in der wie wohl kaum zuvor die Bürger ihr Herz für ihre Stadt entdeckten, war die Rekonstruktion und Modernisierung der Stadtbeleuchtung. Der Ortschronist unserer Tage kann auf Leistungen der Bürger im Wert von 2 717 500 Mark verweisen.

 

Über zwei Millionen Mark – welch eine Leistung für diese Stadt mit ihren etwa 5 400 Einwohnern!

Blättern wir einmal in diesem jüngsten Kapitel der Dingelstädter Stadtchronik, die sich im Gegensatz zur alten als eine sachlich abgefasste und knappe Aufzählung all der Dinge versteht, die Bürgerfleiß in dieser Stadt schuf. Sie berichtet zum Beispiel davon, dass diese Stadt im grünen mit ihren sauberen Straßen und hübschen alten Fachwerkhäusern im 20. Jahr der Republik noch schmucker, heller und schöner geworden ist. In Dingelstädt fällt mir besonders das Stadtzentrum auf, das den Schwerpunkt bei der Modernisierung und Werterhaltung bildete. Um Rathaus und Kirchenvorplatz, der neu gestaltet wurde, reihen sich die Häuser der Innenstadt, deren Fassaden –insgesamt 185 – in Kur genommen wurden. Ich schlendere einige Straßen weiter und glaube zunächst in einer anderen Stadt zu sein, obwohl sich das Neubaugebiet rund um Steinufer und Dosborn harmonisch in den älteren Stadtteil einfügt. Hier wurden allein in den letzten beiden Jahren für 132 Familien moderne neue Wohnungen geschaffen, zweistöckig, dreistöckig, wie es etwa den Häusern der Innenstadt entspricht. Eine großzügige Kaufhalle ist hier im vergangenen Jahr als Objekt der Jugend für die jungen Leute des neuen Stadtteil entstanden. Und diese wiederum konnten auf ihren Anteil an den Leistungen im Wettbewerb ihrer Stadt verweisen:

Allein in den letzten zwei Jahren schufen sie in Eigenleistungen den Wert von 161 000 Mark. Die Einwohner der Graben- und Silberhäuser Straße standen nicht zurück: Sie legten neue Bürgersteige an, verschönten die schieferverkleideten Häuserfassaden und feierten nach Fertigstellung der Arbeiten sozialistische Wohngebietsfeste. Ganz Dingelstädt war an jenem Tag auf den Beinen: Die Stadtfamilie erlebte einen neuen Höhepunkt.

Nun haben ihre Bürger die gleichen Probleme und Sorgen wie in jeder anderen Stadt der Republik.

Mehr darüber erfahre ich in einem der Rathausgespräche, die die Dingelstädter als Forum der Auseinandersetzung gemeinsam mit den Abgeordneten, den Vertretern der Betriebe und Unionsfreund Karl Rogge, Bürgermeister dieser Stadt, nutzen. Sozialistische Demokratie in der Praxis – so könnte man diese Gespräche zur Kommunalpolitik bezeichnen; denn hier sind die Dingelstädter unmittelbar in die Lösung der Aufgaben einbezogen. Sie ergeben sich aus den Bauvorhaben zur Schaffung von Kinderkrippen –und Hortplätzen, Ausbau der Naherholungseinrichtungen und des

Schulspeisungszentrums. Hier lässt sich ermessen, wie in dieser Stadt die Frage gelöst wird, ohne zusätzliche Investitionen, sondern im Wesentlichen durch Kommunalverträge und Eigenleistungen der Bürger die vielen Vorhaben zu realisieren. Die Tatsache, dass sich im Perspektivplanzeitraum die Mittel auf umfangreiche Investvorhaben im benachbarten Leinefelde und in Deuna konzentrieren, hat zu fruchtbaren wechselseitigen Beziehungen zwischen den Dingelstädter Betrieben und dem Rat der Stadt geführt. War der Staatsratserlass über die Weiterentwicklung der Haushalts- und Finanzwirtschaft zunächst nur Anfang und Basis der wechselseitigen Beziehungen, so eröffnet heute der Staatsratsbeschluss zur sozialistischen Kommunalpolitik neue Möglichkeiten. So wurdenallein in den ersten Wochen dieses Jahres Verträge mit den drei wichtigsten Betrieben der Stadt - dem Werkbereich Dingelstädt des VEB Thüringer Obertrikotagenkombinat Apolda, dem VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen, Neustadt, Betrieb XII Petkus Wutha und dem Werk Dingelstädt des VEB Thüringer Zigarren- und Tabakfabriken Nordhausen rechtswirksam.

Während die Aufgabe, als Leitbetriebe in den drei Wohngebieten zu wirken und das polytechnische

Ausbildungszentrum weiter zu fördern, anteilig für alle drei Betriebe festgelegt wurde, ist die

finanzielle Unterstützung kommunaler Vorhaben unterschiedlich verteilt und entspricht den

Möglichkeiten dieser Betriebe. Das beginnt bei der Finanzierung von Kindergartenplätzen, Übernahme der Schulspeisung durch Betriebe und endet bei der Rekonstruktion der Straßenbeleuchtung. Gemeinsam ist auch beispielsweise die Unterstützung beim Aufbau eines Jugend- und Kulturzentrums während sich der VEB TOKA insbesondere am Ausbau des Naherholungszentrums Riethpark beteiligt, Petkus Wutha dagegen in den nächsten drei Jahren 120.000 Mark für Vorschuleinrichtungen, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen usw. bereitstellt.

Wie sich die Unterstützung der Betriebe in der Praxis auswirkt, lässt sich am besten in den

Einrichtungen selbst ablesen. Freundliche Räume und appetitliche Speisen auf praktischen

Sprelacarttischen laden in dem kürzlich eröffneten Speiseraum für 100 Kinder je Durchgang ein, der dem Schulbereich Dingelstädt nun in der POS I zur Verfügung steht. Im Riethpark laden Gondelteich und Tanzfläche, eine gepflegte Gastronomie mit speziellen Thüringer Gerichten und schöne Anlagen ein, während es für die Schüler aus den umliegenden sechs Orten des Schulbereichs schon seit längerer Zeit keine Transportprobleme gibt. Verträge mit den Nachbargemeinden, um effektivere Möglichkeiten des Nahverkehrs, der Schulspeisung oder der Erziehung und Ausbildung zu erschließen, sind für die nächste Zeit geplant –eine Aufgabe für die Interessengemeinschaft zwischen Rat der Stadt und Einrichtungen der Volksbildung. Verträge werden darüber hinaus die

Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden zur Unterstützung kommunaler Vorhaben bestimmen, wie sie bereits in der Vergangenheit für die Gemeinden Helmsdorf und Kreuzebra wirksam wurden, als Mittel für Straßenbau und Straßenbeleuchtung durch den Rat der Stadt Dingelstädt bereitgestellt wurden. Ökonomische Beziehungen, wie sie der Beschlussentwurf zur sozialistischen Kommunalpolitik vorsieht, werden sich künftig zum wesentlichen Merkmal der Zusammenarbeit zwischen der Stadt Dingelstädt und den Nachbargemeinden entwickeln und neue Beziehungen der Bürger hervorbringen. So wird das „Miteinander – füreinander“ zum neuen Kapitel in der Geschichte Dingelstädts gehören, das die „Stadtfamilie“ zu schreiben begonnen hat.

Verfasserin: Lore Seidler

 

Den „Weg ins Morgen“ ging Dingelstädt aber erst nach der „Wende“ erfolgreich, als die sozialistische Planwirtschaft = planmäßige Mangelwirtschaft beseitigt war. Wie gut bewahrheiten sich und passen hier zum Abschluss die Verse des sozialistischen DDR-Schriftstellers Hermann Kant, der beim Verfassen seiner Verse noch nichts von unserer friedlichen Revolution 1989 ahnte:

 

„Die Kämpfe unserer Zeit

Sind die Folgen und sind die Vorläufer

anderer Kämpfe.

Was heute ausgefochten wird,

ist schon lange Widerspruch gewesen;

was heute als Lösung gilt,

wird uns bald nicht mehr genügen.

Dem, was ist, werden wir nur gerecht,

wenn wir nicht vergessen was war

und was werden soll!“

 

 

Der Gesangbuchstreit - Ein Beispiel für den Glaubenseifer der Eichsfelder

700 Infanteristen mussten nach Dingelstädt marschieren

 

Mit dem Zeitalter der Aufklärung, von manchen auch „Zeitalter der Vernunft“ genannt, kamen die Wogen des Unglaubens auch bis an des Eichsfeldes Grenzen, drohten sogar überzuschwappen. Da die führenden Eliten von dem neuen Geist durchsetzt waren, standen die Eichsfelder Gläubigen allein. Aber auch selbst aus eigenen Reihen drohte Gefahr. Der Mainzer Fürstbischof schaffte 1769 neunzehn katholische Feiertage ab, „um die Menschen einer nützlichen Tätigkeit zuzuführen.“ Die Bischöfe bekämpften die Wallfahrten als „kontagiöse Krankheit“, verboten den Verkehr mit Rom. 1773 wurden die Jesuiten verboten, bekämpft und geächtet, auch bei uns in Heiligenstadt. Als nächste Maßnahme sollte das tief religiöse Eichsfelder Gesangbuch abgeschafft und das aufgeklärte Mainzer Gesangbuch eingeführt werden. Dieses rief den erbitterten Widerstand der Gläubigen hervor. In die Geschichte ist dies als „Gesangbuchstreit“ eingegangen und dauerte fast ein halbes Jahrhundert.

 

 

Die Bickenrieder Chronik berichtet, dass 1787 viel Zank und Unfriede deswegen entstand. Der Zorn richtete sich oftmals sogar gegen den „Schulmeister“, der ja gleichzeitig als Organist amtierte. Auf der Straße rief man ihm dort nach: „Du verfluchter Gänsejunge, häst in der Kärche neuwe gesunge.“ Das war in damaliger Zeit ein unerhörter Vorgang, denn der Lehrer kam nach Pfarrer und Schulze auf Platz drei in der Dorfhierarchie. Der Streit hielt auch unter preußischer und westfälischer Herrschaft, ja in den Freiheitskriegen noch an, um nach dessen Beendigung intensiviert zu werden. Der kirchlichen Obrigkeit war aber die Auswahl der Lieder und der Litaneien so wichtig, dass es zu empfindlichen Geld-, ja Haftstrafen kam. Die Beberstädter richteten 1815 ein Bittgesuch nach Heiligenstadt und versprachen „ruhiges Betragen in der Kirche“ und „Annahme des Gesangbuches“ um ihre zwei Inhaftierten frei zu bekommen. Der Bischöfliche Kommissarius Dr. Conrad Zehrt berichtet in seiner „Eichsfeldischen Kirchengeschichte“ (1893), dass der Bischöfliche Kommissarius Gottfried Franz Würschmidt, ein Freimaurer und Illuminat, „vorzüglich bemüht war, das in Mainz gedruckte sogenannte neue Gesangbuch im Eichsfelde einzuführen … Das katholische Volk widerstrebte der Einführung dieses Gesangbuches und in vielen Gemeinden kam es zu offenen Widersetzlichkeiten …“ Die Streitereien hielten lange an und wurden mit Erbitterung geführt. Zehrt zeigt sich sehr kritisch über diesen seiner Amtsvorgänger. Würschmidt war es auch, der das Worbiser Franziskanerkloster in einem Gutachten „überflüssig und unnütz“ nannte. Auch die Bittschrift Worbiser Bürger 1821 an den König hatte keinen Erfolg, da sich ihm gegenüber der zuständige Bischof von Corvey, auf ein Gutachten Würschmidts stützend, die Niederorschel, dass 1811 dort für 30 Reichstaler aus der Kirchenkasse Gesangbücher gekauft wurden und 1815 dann deren gewaltsame Einführung erfolgte. Kn ieb, der die Akten genau kannte, berichtet, wie rabiat Pfarrer Johann Andreas Backhaus vorging und gab der Gemeinde Recht. Einige Beispiele: „Die Mutter Gottes ist ein altes Weib, was nicht helfen kann.“ „Es ist besser, das Heu fertig zu machen, als zu Maria Heimsuchung nach Breitenholz zu wallfahren“. „Jene Leute, welche den Rosenkranz‚ kauen und strippen‘, sind es, welche die Woche hindurch stehlen.“ Die Gemeinde beantragte 1814 dessen Versetzung, welche dann zwei Jahre später

erfolgte. Die Chronik von Mühlhausen berichtet, dass  am 17. März 1815, also 19 Tage nach erneutem

Eingreifen Napoleons in die Weltgeschichte und etwa vier Monate vor Waterloo, 700 Infanteristen Richtung Westen ausrückten. Ihr Marschziel war aber der nur knapp zwei Meilen entfernte Marktflecken Dingelstädt zur Exekution, „weil da wegen der neuen Gesangbücher rebelliert wurde.“

Knieb berichtet auch von den Streitereien in Deuna: „1821 schnitten die Bewohner dem eifrigen Lehrer die Früchte ab.“ In Heuthen gingen die Streitereien gar noch 1843/44. Der Pfarrer setzte das Mainzer Gesangbuch gegen den Willen der Gemeinde durch. Die Gemeinde schickte je einen Unterhändler zum Bischof nach Paderborn und zur königlichen Regierung nach Erfurt. Der Bischof lehnte die Einsprüche der Gemeinde ab. Die preußische Regierung mahnte die Gemeinde, „den kirchlichen Anordnungen Folge zu leisten.“

 

Nachtrag:

Heute, im Zeitalter der fortschreitenden Säkularisation, würde so ein Vorgang wie die Einführung eines neuen Gesangbuches uns so beeindrucken, wie etwa als wenn in China ein Sack Reis umfallen würde. Heute werden Kirchen geschlossen und verkauft, weil die Kirchenbänke leer stehen und die Unterhaltskosten nicht mehr aufgebracht werden können, stehen viele Kirchengemeinden ohne eigenen Pfarrer da und werden mit anderen Kirchengemeinden zusammengeschlossen. Wen bringt denn das heute noch „auf die Palme?“

 

---------------------------------------------------

 

Bitte um Mitgestaltung einer Familienzeitung

Mit unserem Schreiben vom 20.03.2012 haben wir alle Familienmitglieder darum gebeten, uns entsprechende Informationen für die Gestaltung einer Familienzeitung zukommen zu lassen. Das sollten sein:

• Kurzer Lebenslauf (Kinder-, Jugendzeit, Militär, Ausbildung, Familie, Besonderes…)

• Kurze Familienbeschreibung

• Anekdoten der Familie

• Sonstige Dinge, welche von Interesse für die Familie sind oder sein könnten

Ich will deshalb hier einmal einen Anfang machen und meine Person, Heinrich Hucke, *1946

in der Hoffnung vorstellen, dass hier weitere kurze Vorstellungen folgen werden. In Dingelstädt verlebte ich eine unbeschwerte, sorgenfreie Kindheit. Meine Eltern waren von früh bis spät in der eigenen Bäckerei beschäftigt und es verstand sich so von selbst, dass wir Kinder den Kindergarten besuchen mussten. Danach kam ich in die die zehnklassige polytechnische Oberschule (POS) in Dingelstädt und dort erlangte ich dann auch den Schulabschluss „Mittlere Reife“. Zur EOS (erweiterte Oberschule mit Abiturabschluss) wurde ich nicht zugelassen. Offizielle Begründung: Es waren bereits genug Teilnehmer, Arbeiter,- und Bauernkinder gemeldet. Ich war der Sohn des selbständigen Bäckermeister Hans Hucke, welcher in der Stadt wegen seiner konservativen Gesinnung bekannt war und deshalb auch als „schwarzer“ Bäcker bezeichnet wurde. Mein Vater war aber auch Mitglied in der DDR-CDU. Er sagte immer: „Wer weiß, wozu ich die Hunde nochmal gebrauchen kann“.

 

Mir hat das jedenfalls nicht weiter geholfen. Trotz Note 1 im Staatsbürgerkundeunterricht bei meinem Staatsbürgerkundelehrer Hilmar Schrepper, zu der Zeit auch Direktor an meiner POS. Er sagte damals sinngemäß zu mir:

Wir lassen nur solche zum Abitur zu, von denen wir erwarten können, dass sie später in verantwortlichen Funktionen die Interessen unseres Arbeiter,-und Bauernstaates vertreten“. Der mit dem „Vaterländischen Verdienstorden“ ausgezeichnete Schrepper wurde später Kreisschulrat und hat als solcher die Wendezeit, zu meiner (Schaden)-Freude, in seinem Amt nicht überlebt.

Von den damals zur Verfügung stehenden Lehrstellen sagte mir nur die Lehrstelle als Elektromonteur zu und ich erlernte dann auch den Beruf des Elektromonteurs in der PGH Metall-Elektro in Dingelstädt. Mein Lehrmeister war Josef Kretzmer. Der Beruf Elektriker war zwar interessant, sagte mir aber bald nicht mehr besonders zu. Heute noch einmal vor die Wahl gestellt, würde ich sicherlich einen Beruf in der Landwirtschaft als Tierzüchter ergreifen. Bei Jugendlichen sind landwirtschaftliche Berufe ja nicht sehr beliebt.

Nach bestandener Facharbeiterprüfung als Elektromonteur wurde ich im Mai 1966 zum Militär (NVA) eingezogen. Das „Soldat-Sein“ machte mir Spaß. Darin unterschied ich mich von meinem Vater, von dem die Äußerung stammt: „Das Militär ist nur im Suff zu ertragen“. Mein Vater war allerdings nicht Soldat in Friedenszeiten, sondern war als Jugendlicher 1915 voll in die Schlacht um Verdun und 1916 in die Schlacht an der Somme (Frankreich) einbezogen. Er musste erleben, dass seine Kameraden wie die Fliegen zu hunderttausenden abgeschossen wurden und wäre er nicht glücklicherweise 1916 in englische Gefangenschaft geraten, würde es mich heute mit Sicherheit nicht geben.

 

Das Soldat-Sein bei der NVA gefiel mir so, dass ich mich zunächst als Soldat auf Zeit und dann später als Berufssoldat verpflichtete. Als Angehöriger des Mot.-Schützen-Regiments 23 in Sondershausen war ich dann in verschiedenen Dienststellungen tätig (Geschützführer und später Zugführer in der Flak-Batterie, Schießplatzkommandant des Schießplatzes in Schersen und des Truppenübungsgeländes Dickkopf und zuletzt als Hauptfeldwebel (Spieß) in der Aufklärungskompanie und der 8. Kompanie des MSR 23. Die Übersiedelung meiner Mutter 1976 als Rentnerin in die damalige BRD wurde mir dann aber zum Verhängnis und mein Dienst in der NVA 1980 durch die Staatssicherheitsorgane MfS kurzerhand beendet. Auch aus der Partei SED flog ich raus.

 

1980 zog ich dann von Bad Salzungen zurück aufs Eichsfeld und wurde bei der HO Worbis, Sitz Leinefelde, Sicherheitsinspektor (Arbeitssicherheit, Brandsicherheit, Verschlusssicherheit), keine Staatssicherheit, mit diesen „Genossen“ hatte ich gottlob nichts zu tun. Dem HO-Direktor Hans Werner Wagner war ich direkt unterstellt und mit dessen Führungsstil (Ich bin der General und ihr seid meine Offiziere) kam ich als Berufssoldat a.D. prima zurecht. Diesen Job hätte ich liebend gern bis zum Erreichen der Altersrente ausgeführt. Leider kam mir die Wende dazwischen. Die HO wurde abgewickelt und ich verlor meinen Job. Als ehemaliger Betriebsrat der HO-Worbis konnte ich den Job als Gewerkschaftssekretär bei der DGB-Gewerkschaft Handel,- Banken, -und Versicherungen in Mühlhausen bekommen. Auch ein Job, der mir sehr viel Spaß gemacht hat. Mein Chef war der aus Hessen importierte Gewerkschafter Bodo Ramelow, heute Vorsitzender der Linken in Erfurt, mit dem ich seit dem immer noch „per Du“ bin, was für mich aber kein Anlass ist deshalb ein Linker zu werden. Allerdings wähle ich lieber rot als schwarz, gelb und grün schon gar nicht.

 

Als Gewerkschaftssekretär habe ich in vielen Betrieben des Landkreises Nordhausen, Artern, Sondershausen, Mühlhausen, Bad Langensalza, aber auch hier im Eichsfeld, mitgeholfen,  Betriebsräte zu errichten. Leider kam dann auch hier die Abwicklung des Konsum Nord-Thüringen. Die Gewerkschaft HBV verlor viele zahlende Mitglieder, welche arbeitslos wurden. Die Gewerkschaft HBV musste deshalb auch ihre eigenen Ausgaben (Personalkosten) kürzen. Ich wurde als zuletzt eingestellter auch arbeitslos, bekam aber über die DGB Hans-Böckler-Stiftung einen Job als freiberuflicher DGB-Mitarbeiter für zwei Jahre in Erfurt. Danach bin ich nie wieder in ein richtiges Arbeitsverhältnis reingekommen. Zuletzt war ich Mitarbeiter in einem Wach- und Sicherheitsdienst Unternehmen. Dort arbeitete ich als Zentralist. Mein Job war die Überwachung der aufgeschalteten Unternehmen am Bildschirm und die Organisation des Einsatzes von Zeitarbeitern in

 

verschiedenen anderen Unternehmen. Es war allerdings ein Job vorwiegend in Nachtarbeit

(immer 12 Stunden) und das hat mich regelrecht krank gemacht. Zum Schluss war ich kaputt, wie man so sagt, kein Mensch mehr und ich musste meinen Chef um meine Kündigung bitten. Glücklicherweise konnte ich mich dann in die vorzeitige Altersrente (mit Abzügen) retten. Seitdem ich Rentner bin, geht es mir wieder richtig gut.Ich kann mich verstärkt um meine verschiedensten Hobbys kümmern, um meine „Brotlosen Künste“ wie mein Vater immer sagte. Im Einzelnen will ich mal näher auf diese „Brotlosen Künste“ eingehen. Musik: Ich kann keine Schlagermusik und auch kein volkstümliches Gedudele mehr hören. Mich interessiert nur noch klassische Musik. Für mich gibt es also nur noch die Radiosender wie z. Bsp. NDR-Kultur oder MDR-Figaro bzw. Musik von der CD. Fernsehen: die Kiste ist meistens ausgeschaltet. Eine Pflichtveranstaltung ist allerdings die

Tagesschau. Außerdem suche ich manchmal bei den dritten Programmen nach den für mich interessanten Sendungen, Tiere, Garten, Landschaften usw. Was sollen mich die konstruierten „Beziehungskisten“ anderer Leute interessieren. Krimis wie „Tatort“ usw. fallen deshalb für mich meistens aus. Familienchronik: Das ist ein Hobby, welches viel Zeit erfordert. Da jetzt die Daten der lebenden Hucke in einem „Geschütztem Bereich“ zu lesen sind, erwarte ich, dass noch mehr Hucke ihre Daten (siehe Datenbank) zur Verfügung stellen. E-Mail bitte an mich. Vielleicht auch eine kurze

Biographie, wie die hier zu lesende von meiner Person.

Vogelzucht: Schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr züchte ich Kanarienvögel. In Dingelstädt habe ich den Vogelverein neu gegründet. Siehe unter

Hier war ich die ersten Jahre Vereinsvorsitzender. Inzwischen ist es mir aber gelungen den Vorsitz an

ein in Dingelstädt wohnendes Vereinsmitglied abzugeben. Immerhin bin ich dort als Schriftführer

noch im Vereinsvorstand und auch verantwortlich für die von mir erstellte Homepage des Vereins.

Ich bin auch Mitglied im Deutschen Kanarienzüchterbund DKB Landesverband 29 Thüringen. Es ist mir aber immer wieder gelungen, nicht Landesverbandsvorsitzender zu werden. Der Funktion des Schriftführers im Landesverband konnte ich mich aber nicht länger verweigern. Ich züchte vorwiegend Gesangskanarien der Rasse Harzer Roller.

Seit dem Jahr 2011 versuche ich in der Vogelzucht das Angenehme mit auch wirtschaftlichen

Ergebnissen in Verbindung zu bringen. Ich habe deshalb eine Wachtelzucht begonnen. Für unseren Haushalt liefere ich also küchenfertige Wachteln zum Braten, Grillen und Kochen. Nicht zu verachten sind auch die vielen Wachteleier. Was ich im eigenen Haushalt nicht verbrauche, wird veräußert.

Ach ja, und dann gehe ich auch noch zum Angeln. Ich bin Mitglied im Wingeröder Angelverein. Wir haben hier einen kleinen aber feinen Stausee, in welchem sich jede Menge Karpfen, Hechte, Zander, Barsche und Rotfedern tummeln. Im vorigen Jahr konnte ich 34 Karpfen an Land ziehen. In meiner Räuchtertonne räuchere ich Karpfen heiß und auch kalt. Das ist ein ganz besonderer Genuss. Auch frisch gebraten oder gedünstet kommen bei uns Karpfen, Hechte und Zander öfter auf den Tisch. 

 

 

Eichsfelder Mundart

 

Dar Zejjenmord von Peter Anhalt

 

Milders Franz met forschen Schredd

Gung zum Markt no Heljenstädt.

Dann ha worr enn Handelsmann,

Dar a veel getrinken kann.

„Zahn Beer“, meint ha im Äwwermut,

„Sinn färr de Geschäfte guud.“

Un‘s stimmete, ha hätt gekrejjen,

Färr wennig Gald ne junge Zejjen.

Un äß de Zejjen an dar Leine,

Geht es fix wärr henne heime.

Doch bi Bonnrode gehn metunger

Am Bahnhowe de Schranken runger.

So worr’s a kreit - rungergeloßen,

Varsperrten se dam Franz de Stroßen.

Doch ha denket: „Nit so schlimm,

Ich nahm ehst mol enn Kurzen inn.“

Uff ämmol hippet krietz un quar

Unse Franzchen hänn un har.

Ha muute ihligst uß dar Hosen.

All zu feste trickt de Blosen.

Um dam Drange nozukumm’n,

Hätt ha de Zejjen angebungn

Un springet wie enn junges Reh

Mang de Bische met Effee.

Sinn Geschäft nohm gar kenn Änge,

Zogg sich hellisch inne Länge.

Un wie sich sinn Gesicht entkrampfte,

Grat dar Zug varräwwer dampfte.

Wie ha hätt obne de Schabracken,

Krägg ha enne Harzattacken.

Hoch in dan Liften wie ne Schwalbn,

Hung de Zejjen an ehr‘n Galgn.

De hotte ha woll in Gedanken

Festgebungn an dan Schranken.

Hänn worr sinne junge Zejjen,

Do hätt ha‘s met dar Wut gekrejjen.

Franz in sinner Hellenqual,

Beschimpet’s Bahnhoppspersonal. „

Ihr Damels, - s äß doch nit zu fassen,

kunntet dee nit uffgepassen!

Do hänget nun minn Wochenlohn.

Ich kinnt uch in de Frassen schlohn!“

Ne Klageschrift vom Amtsgerichte

Worr das Änge dar Geschichte.

 

Aus: Uhlnfaddern. Gereimtes und Mundartliches

aus Steinbach. Heiligenstadt 2001, S. 87f.

 

Sinngemäße Übersetzung für nur Hochdeutsch-Versteher:

 

Der Ziegenmord

Franz Milder ging mit forschen Schritten zum Markt

nach Heiligenstadt.

Dort war ein Handelsmann der viel trinken kann.

Der meint im Übermut, 10 Bier sind für das Geschäft gut.

Und es stimmte. Für wenig Geld hat er eine junge

Ziege bekommen. Mit der Ziege an der Leine ging er

dann fix wieder Heime.

Doch bei Bodenrode geht mitunter die Schranke am

Bahnhof runter. Sie war gerade runtergelassen und

versperrte so dem Franz die Straße.

Doch der denkt: Es ist nicht so schlimm, ich nehm

erstmal einen Kurzen (Kurzer = kleiner Schluck

Schnaps aus der Flasche) ein.

Auf einmal hüpft unser Fränzchen kreuz und quer. Er

mußte eiligst aus der Hose, weil feste drückte seine Blase.

Um seinem Drange nachzukommen hat er die Ziege

angebunden und springt wie ein junges Reh

zwischen die Büsche mit Effee (Eile)

Sein Geschäft nahm gar kein Ende

Zog sich höllisch in die Länge

Und wie sich sein Gesicht entkrampfte

Gerade der Zug vorüber dampfte

Wie er die Hose wieder oben hatte

Kriegt er eine Herzattacke.

Hoch in der Luft wie eine Schwalbe

Hing die Ziege an ihrem Galgen.

Er hatte wohl in Gedanken

Sie festgebunden an der Schranke.

Hin (tot) war seine junge Ziege

Da hat er es mit der Wut gekriegt.

Franz in seiner Höllenqual

Beschimpfte das Bahnhofspersonal

Ihr Demel (Idioten) es ist doch nicht zu fassen

Konntet ihr nicht aufpassen!

Da hängt nun mein Wochenlohn.

Ich könnt euch in die Fresse schlagen!

Eine Klageschrift vom Amtsgericht

War das Ende der Geschichte

 

 

Franz und seine Annegret - Eine Geschichte in Eichsfelder Mundart

 

Daer Ingerdorfsche Franz hotte enn ganzen Stall voller Jungs. Felix, daer jingeste, mit sinnen saechszehn Lanzen, hotte die kleenen Meichens raecht gaern. Jeden Sunntag hoote nu daer Felix dan glichen Gang, nahmlich Annegret zu besichen. Daer Pfarrer, dan see hotten, machte ehm’s nitt leicht. Die ganze Woche mutte har feste schuften unn Sunntags driemal in die Kerchen. Um veere war Christenlehre, daer ganze Tag woar verkratscht. Die ersten Mole lus Felix sich doas gefalle, unn Annegrete wortete vaergab’ns an daer Grundsbricken. Am nächsten Sunntage woar Felix frie daheime unn sinn Ohler freiete sich. Das nächste Mol full die Christenlehre us un Felix dochte, har kunnte nu bi Annegrete ge’n, awer die Soppen woar nitt runger, mutte har schon werre zum Kiewehieden. Felix woar awernitt uff’n Kopp gefall’n har schnappte die Kiewe unn hutt see uff’n Klee,

damet see schnall saht wurd’n. Um driee woar Felix schon werre met sinnen Kiewen daheime. Ilig zogg har sich imme un gung met Seb’nmeilenstebbeln bi’s Annegrete. Am nachsten Sunntage wullte see sich werre traffen, awer daer Pfarrer hull werre mol Christenlehre un Felix worr werre nitt do. Schließlich woars dem Pfarr’n zu toll un har sahte: „wo es dann nur daer Felix hen?“ Do sprong enn kleener Knirps uff un sproch: „Daer Felix es hen in daer Lutter bi sin Meichen!“

Daer Ingerdorfsche Franz, daer auch in daer Kerchen woar, full uff sinn Mannhuse ver Schreck bohle uff’n Hingesten.

So imme Metternacht schlich sich Felix wie immer enheim unn schlich sich uff’n Zehenspitzen an dam Vadder sinn Bette vaerbi. Do sprang daer Ohle uff unn schnapete sich Felix bim Hamdkrag’n. Har machte dann schnall die Arme hoch unn met enn Rucke woar har us’m Hemde rus un haute ab. Nu stund daer Ingerdorsche Franz met enn Ingerhemde in daer Linken unn enn Knippel in daer Raechten do. Felix woar naktisch in dan Kiewestall gekroch’n unn hotte sich vaersteckt.

 

Mission und Alkohol

 

In ennem Derfe uff’n Eichsfaelle woar Mission. Daer Pater hotte barworisch äwwer daen

Mißbrauch daes Alkehol gewaettert. Daen Wiebern woar daos jo Wasser uff d‘ Milln. Noach

daer Preddigt saete Valten zu Echenhaennschen: „Meinste nit ae, Gehannes, daoß daer Pater mit daem Alkehol äwwerdrebben hät?“ „Jo, Valten“, meinte Echenhaenschen druff, daer Pater es doch enn studierter Mann, der wird schon wisse, waos äs met daem Alkehol uff sich hätt. Und äwwigens, waos bruchme ae nach Alkehol, me han doch Beer un Schnaps genugg im Derfe!“

 

 

Daer einzigste

Vetter Gehannes nimmet jeden Sunntack sein Gesangbuch un gett zwei Derfer witter in d‘

Kärchen. Gefraet: „Worim geste daenn immer so wiet waeck in aenne fremde Kärchen?“ antwortet

 

Gehannes: „Das wäll ich dich verrode. Disse Kärchen äß daem heiligen Georg als Kärchenpatrom gewieht, un daer äß daer einzigste  daer mett aem Drachen fertig geworrn äß!“