Inhalt von Nr.03:
1. Dingelstädts Anteil an der Auswanderung nach Nordamerika
2. Wie es 1961 auch im Eichsfeld zum Ausbau der schwarzen Kanäle kam
Eichsfelder Volkszeitung
Dingelstädter Zeitung Tageszeitung für das Eichsfeld
Druck und Verlag Josef Heinevetter Dingelstädt
Nr. 54 (2 Blatt) 23. Jahrgang
Dingelstädt den 05. März 1929
Dingelstädts Anteil an der Auswanderung nach Nordamerika
von Studienassessor Aloys Schäfer, Heiligenstadt
Nach der letzten Auseinandersetzung Englands mit seinen nordamerikanischen Kolonien setzte um 1814 ein wunderbares Wachstum und materielles Gedeihen der vereinigten Staaten von Nordamerika ein. Der europäische Kontinent entleerte seine überschüssige Bevölkerung nach dem Lande der Hoffnungen und dem Lande der Freiheit. Dank der ungeheuren fruchtbaren Wildnis, dank der unerschöpflichen Hilfsquellen des Landes, dank des steigenden Einwanderungsstromes – im Laufe der Jahrhunderte etwa 17 Millionen – entwickelte sich der Staatenbund in geradezu nie dagewesener Schnelligkeit. Ortschaften, Städte mit Hunderttausenden von Einwohnern wuchsen förmlich aus dem Boden, und ein neues Europa umspannte bald den ganzen Kontinent vom atlantischen bis zum pazifischen Ozean. Die starken Söhne des europäischen Nordens, der fleißige Deutsche, der anspruchslose Pole und Russe, der intelligente Franzose, gepaart mit dem unternehmenden romanischen Element des Südens haben zusammen sich ihren Weg gebahnt,
durch Hügel und Berge die Eisenbahn legend und die elektrischen Drähte ziehend, Kolonien, Schulen und Kirchen gründend und haben sich so das“ Land der Verheißung“ – „ein Land, wo Milch und Honig fließt“ – untertan gemac ht. Und nicht von ungefähr finden wir Neu York, ein Neu Orleans, ein Neu Frankfurt, ein Neu Hamburg und anderes mehr in Amerika wieder. Ein deutscher Dichter begrüßte damals dieses vollkommen geschichtslose Staatswesen mit den Worten:
„Amerika, Du hast es besser
Als unser Kontinent der alte,
Hast keine verfallenen Schlösser
Und keine Basalte.
Dich stört nicht im Innern
Zu lebendiger Zeit
Unnützes Erinnern
Und vergeblicher Streit.
Das gelobte Land war Amerika, dessen Name schon einen eigenartigen Reiz, einen romantischen Zauber auf das deutsche Gemüt ausübte. Auch das Eichsfeld, das von jeher infolge der Überbevölkerung an Raumnot krankte, hat starken Anteil an der Auswanderung nach Nordamerika genommen und nicht zuletzt war es die Stadt Dingelstädt die ein hohes Kontingent des Auswanderungsheeres stellte. Im Jahre 1883 entfielen auf die Gemeinde
Uder 4,
Birkenfelde 2,
Glasehausen 1,
Lindewerra 6,
Kreuzeber 1,
Beberstedt 1,
Effelder 7,
Küllstedt 5,
Silberhausen 1 Einwohner.
1885 entfielen auf Dingelstädt 17 von den 48 Auswanderern des Kreises Heiligenstadt
und 1882 10 von 72.
Warum verließen nun so viele Landsleute ihr Heimatländchen? Mag der eine oder andere aus der Heimat gegangen worden, statt gegangen sein. Wir wollen auch nicht behaupten, dass die Auswanderer ihre Heimat nicht mit der ganzen Kraft ihres Herzens geliebt haben. Auch nicht Gewinnsucht hat diese Männer aus ihrer Heimat getrieben, sondern nur die bittere Sorge um ihr Dasein, das Streben nach einem besseren Fortkommen, der rapide Rückgang der Hausweberei um die Mitte des 19. Jahrhunderts, der gefürchtete preußische Militärdienst und nicht zuletzt die Missernten der 40er und 80er Jahre waren es, die manchen unternehmungslustigen Eichsfelder über den „großen Teich“ trieben. Der Sohn des Erbauers der East River-Brücke zwischen New-York und Broklyn, Washington Röbling, der 1831 aus Mühlhausen ausgewandert war, hält von Amerika aus eine Rückschau auf seine heimatliche Welt. Da wird vornehmlich das Eichsfeld als steiniger und wenig ertragreicher
Landstrich geschildert.
„Nur durch unablässige, schwere Arbeit und bis zur Selbstentäußerung getriebene Genügsamkeit fristet dort der Landmann sein Leben, Industrie ist nicht vorhanden, und der Handwerker arbeitet in seinem kleinen Häuschen mit Weib und Kind von früh bis tief in die Nacht, ohne je mehr als ein kärgliches Stück Brot sein eigen zu nennen. Viel Arbeit aber nirgends ein freier Ausblick, ein Hauch von Unternehmensgeist; die Bevölkerung sorgsam nach Kasten geschichtet und das Leben erstarrt.“
Die Auswanderungslust wurde namentlich durch die vielen Werber und Spekulanten, die chimärische Hoffnungen auf ein neues blühendes Glück zu erwecken verstanden, um eine Provision zu gewinnen, gefördert. Die Regierung gestattete Agenturen nur ungern. In Dingelstädt hatte Opfermann eine staatlich konzessionierte Agentur.
Die Überfahrt von Bremen nach New York kostete 1872 45 Taler. Es waren nicht die Schlechtesten, die Heimat und Vaterland verließen, sondern meist Männer beseelt von hohen Idealen und kühnstem Unternehmungsgeist, junge stolze Reservisten, die während ihrer Militärzeit bessere Tage erlebt hatten und sich nach ihrer absolvierten Militärzeit nicht wieder in die trostlose Enge und Dürftigkeit des elterlichen Hauses zurechtfinden konnten. Man erinnere sich des früheren Soldatenstolzes!
Andere empfanden die gedrückte Unterwürfigkeit der Deutschen im Gegensatz zu der freien, ungezwungenen Art der Amerikaner, wie sie in Briefen und Schilderungen zur Geltung kam, bitter. Sie strebten heraus aus traditioneller beengender Betätigung zu individueller Entfaltung. Nicht leicht ist diesen Frauen und Männern der Abschied von der Heimat geworden, auch in der fernen Wildnis haben sie immer wieder vergebens nach ihrem natürlichen, ihnen abhanden gekommenen Schatten der Heimat gesucht.
„Wie wird es in den fremden Wäldern
Euch nach der Heimat-Berge Grün
Nach Deutschlands gelben Weizenfeldern,
Nach seinen Rebenhügeln zieh’n!“
Dabei haben die Auswanderer nie ihre Herkunft vergessen, sie haben an ihrer Sprache an ihrem Volkstum festgehalten, und sogar eine eigene deutsch-amerikanische Literatur entwickelt.
Indessen denke ich mir das Verhältnis vieler Auswanderer zur Heimat etwa so wie die Stellung der Cornelia im Shakespeare’schen Drama zu ihrem Vater, dem König Lear. Der überberatene alte Herr verschenkt sein Reich an seine beiden ältesten Töchter Goneril und Regan, die ihn zwar nicht lieben, ihm aber desto mehr schmeicheln, und er verstößt seine dritte Tochter Cornelia, die ihn sehr liebte. Und was tut die verstoßene Cornelia? Sie schmäht ihren Vater nicht ob seiner Ungerechtigkeit, sie steht abseits, liebt und schweigt…..aber in der Stunde der Not, wo sich die Natur der herzlosen älteren Schwestern enthüllt, ist sie es, welche den unglücklichen Vater stützt und tröstet.
In diesem reinen edlen Sinne haben auch des Eichsfelds Söhne in der Fremde stets zur Heimat gehalten und gestanden. Ganz besonders in der Zeit des Weltkrieges und der Inflation, wo sie manchen armen Bruder und Vetter der Heimat mit Geldspenden bedachten. Nicht vergessen sei die jahrelange Speisung armer Schulkinder durch die Deutschamerikaner. Viele von ihnen verdienen mit recht, dass sie nicht vergessen werden, warum ich mich unterfange, die mir bekanntgewordenen Auswanderer hier aufzuführen.
Philipp Degenhardt war 1798 als Sohn des Knabenlehrers Karl Degenhardt geboren.
Derselbe besuchte von 1812 – 1819 das Gymnasium zu Heiligenstadt, bestand das Abitur
und studierte Theologie. Nachdem er die beiden niederen Weihen empfangen hatte, ging er 1822
nach dem westlichen Kontinente um eine neue Heimat zu finden.
Urbanus Listemann, geb. 1808 als Sohn des Gerichtsassessors Listemann, besuchte ebenfalls das Gymnasium zu Heiligenstadt und wanderte in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach Amerika aus.
Der Sohn des Fabrikanten Kunckell, Karl Kunckell ging 1845 nach Amerika und ließ sich in Milwaukee als Pelzhändler nieder. Er besaß zwei Töchter mit Namen Anna und Minna. Mit den 40er Jahren hebt ein Aufschwung der Industrie überall in Deutschland an und ebbt die Auswanderung ab bis zu den 60er Jahren.
Josef Werkmeister, Bruder von Ignaz Werkmeister und unserer Großmutter Anna Hucke, stand um 1850 als Verwalter in den Diensten des Amtmanns Knipping zu Reifenstein, siedelte 1855 nach Cincinnati über und begründete eine Zigarrenfabrik daselbst. Er starb 1896.
Ende der 50er Jahre verließen Josef und Eduard Ifland, Söhne des Sattlermeister Paulus Ifland, die Heimat, um sich in der Neuen Welt einen leichteren Daseinskampf zu suchen. Josef ist früh kinderlos gestorben. Eduard lebt noch heute in Jackson im Staate Tennessee und ist Inhaber eines gut gehenden Polster-Geschäftes. Interessant und reizvoll ist es, wie Eduard Ifland die amerikanische Freiheit empfand und in einem Briefe an seine Angehörigen schildert:
„Es sei zu wissen für uns alle Erdenpilger, dass die Welt uns allen gehört und dahin schreiten können gleich der freien Tochter der Natur, das ist die Sonne , die uns begleitet überall.“ – „Gleichwie das Junge im Ei Wärme braucht, um die Schale zu zerbrechen, so nimmt es Courage, um aus dem Untertanenverbande zu schreiten und zu zerbrechen die Schale der Knechtschaft, um die Freiheit zu genießen, welche ist die große Gabe der Natur“.
Die beiden Töchter des 1851 verstorbenen Schlossermeisters Johannes Adam, Elisabeth und Anna Maria – wovon die Erstere mit dem Ackermann Franz Lange in Effelder verheiratet war, - wanderten 1857 nach Amerika aus. Die Mutter Dorothea, geb. Grohe, hatte Aufnahme bei ihrem Schwager Johann Michael Adam, Pfarrer von Effelder gefunden. Da ihre Töchter in der Neuen Welt ihr gutes Auskommen gefunden hatten, folgte sie ihnen mit den beiden Söhnen Georg und Michael im Jahre 1860.
Die Brüder Philipp und Eduard Kirchberg gingen um die gleiche Zeit nach Chicago. Der Erstere wurde Bierbrauer und letzterer begründete als gelernter Goldschmied ein Juweliergeschäft und brachte es zu großem Reichtum.
Die 5 Töchter des verstorbenen Schmieds Anton Müller fuhren 1866 mit der vierspännigen Post nach Leinefelde, um mit der Eisenbahn Bremen zu erreichen und von dort nach Amerika zu reisen.
Rudolf Klingebiel, Sohn des Arztes Dr. Jakob Klingebiel, geb. am 03.05.1844 zu Dingelstädt, besuchte das Gymnasium zu Heiligenstadt. Da er etwas leichtsinnig geartet war, sagte ihm das Studium nicht zu und er ging nach seines Vaters Tode Ende der 60er Jahre nach Amerika. Über sein ferneres Schicksal ist nichts bekannt geworden.
Der Ackermann Josef Degenhardt, am 09. Februar 1823 geboren, diente beim 31. Infanterie-Regiment zu Erfurt und wanderte im Mai 1871 mit seiner Ehefrau Elisabeth nach Amerika
aus. Als Witwer mit 5 Kindern hatte er Elisabeth Heinevetter geb. Heinebrodt, die Witwe des
Handelsmannes Heinevetter, geheiratet. Die Namen der Kinder waren: Maria Anna, Anton,
Anna, Genovefa und Josepha Degenhardt. Die Kinder der Elisabeth Heinevetter hießen Dorothea, Theresia, Katharina und Maria Luise. Der Sohn Georg, am 11. November 1848 geboren, diente 1870 beim Artillerie-Regiment Nr. 4 zu Magdeburg und folgte kurze Zeit darauf seiner Mutter nach Amerika.
Ende der 60er Jahre verließ Karl Degenhardt, geb. am 12.07.1846, Sohn des Eisenhändlers Karl Degenhardt, die Heimat. Von 1857 bis 1861 hatte er das Heiligenstädter Gymnasium besucht, trat darauf in das dortige Lehrerseminar ein, bestand sein Lehrexamen und wurde Lehrer in dem romantisch gelegenen Dörfchen Thalwenden. Beseelt von einem starken Drang nach Verbesserung seines Daseins vertauschte er den Lehrerberuf mit dem Kaufmannsberuf. Als er auch hierbei keine Befriedigung fand, nahm er Abschied von seinen Freunden, Verwandten und Bekannten und zog über das große Wasser, wo er Zigarrenfabrikant wurde.
Josef Degenhardt, Tutu genannt, war Landwirt in Dingelstädt. Des besseren Fortkommens halber wanderte er 1872 mit seiner Frau nach dem amerikanischen Kontinent aus. Ein witziger Spottvogel hat am Morgen der Abreise folgende Verse an die Tür geheftet:
„Es wohnten zwei Leute in Dingelstädt.
Der eine hieß Tutu, die andere Blech.
Sie waren alle beide sehr frech;
Drum mussten sie bald nach Amerika.
Amerika war ihnen ein fremdes Land.
Da waren Tutu und Blech nicht wohlbekannt,
Und nehmen die Arbeit nun wohl zur Hand.“
Ende der 90er Jahre kehrte er nach der alten Heimat zurück, doch bald erwachte in ihm die
Sehnsucht nach dem Lande der Freiheit. Obwohl schon 78jährig verheiratete er sich mit der 74jährigen Witwe Demuth, um mit ihr die Reise nach Amerika anzutreten.
Der Kaufmann Karl Degenhardt ebenfalls zu Dingelstädt am 30. April 1815 geboren, zieht im
Juni 1872 mit seiner Ehefrau Regina geb. Günther und folgenden Kindern: Hugo, Otto, Rudolph, Maria und Eduard über den großen Teich.
Der Lehrling Joseph Karl Wiederhold, geb. am 24. November 1857 als Sohn des Kaufmanns Johann Friedrich Wiederhold, wanderte zwecks besserer Ausbildung im Handelswesen am 29. Januar 1873 nach Amerika aus. Zwei Brüder waren schon drüben.
Alois Hartmann, geb. am 13. Februar 1858 als Sohn des Fabrikanten Joseph Hartmann,
besuchte von 1871-72 das Gymnasium zu Heiligenstadt, ging nach Amerika und wurde
Richter in San Franzisco. Sein Bruder Georg studierte von 1853 – 1861 zu Heiligenstadt,
bestand das Abgangsexamen und folgte seinem Bruder nach der Neuen Welt.
Der Kaufmann Alois Wiederhold, geb. am 13. September 1852, wanderte seines
besseren Fortkommens wegen am 21. Januar 1879 nach Nordamerika aus.
Kaufmann Richard Pabst, welcher bei der ersten Matrosen-Division, 4. Abteilung, gedient
hatte, ging 1880 nach Nordamerika. Er war der Sohn des Rentier Carl Pabst und am 04. Juni 1857 zu Obschewen in Ostpreußen geboren.
Philipp Dobert war der Sohn des Handelsmannes Heinrich Dobert. Er war am 6. März 1861 zu Dingelstädt geboren, besuchte das Heiligenstädter Gymnasium und war einige Zeit Kanzlist auf dem Amtsgericht. 1881 reiste er nach Cincinnati und verheiratete sich dort mit Maria Hucke, Tochter von Handelsmann Anton Hucke aus Dingelstädt. Sein Vater folgte ihm im kommenden Jahre.
Georg Werkmeister reiste am 11. Februar 1881 18jährig ohne Consens über Holland zum Onkel nach Cincinnati. Er hatte beim Vater Ignaz Werkmeister die Sackleinenweberei erlernt. In Amerika erwarb er sich eine Farm bei St. Louis, die er jedoch später wieder verkaufte und ein Tiefbaugeschäft gründete.
Der Handelsmann Johannes Henkel, geb. am 04. April 1857, hatte beim 1. Garde-Regiment zu Fuß seiner Militärpflicht genügt, und zog 1881 mit seiner Ehefrau Maria Anna Rinke nach der Neuen Welt.
Joseph Große, Handelsmann, geb. am 25. März 1859, hatte bei den 71ern in Erfurt seiner
Militärpflicht genügt und vertauschte seine alte Heimat mit der Neuen Welt.
Der Sattler Gerhard Ifland, am 14. März 1855 zu Dingelstädt geboren, Sohn des verstorbenen Sattlermeisters Johannes Ifland und der Martha, geb. Apel, wanderte am 06. Oktober 1881 nach Cincinnati aus.
Hilarius Hartmann, Sohn des Altaristen Hartmann, geb. am 12. Januar 1857, hatte nach
seiner Militärzeit kapituliert. Als Unteroffizier reifte in ihm der Plan, in die holländische Kolonialarmee auf Java einzutreten. Da ihm sein Plan nicht glückte, reiste er im September 1881 nach Amerika, wurde Bahnmeister in Chicago und ging wegen seines unentwegten Eintretens für Deutschland seiner Stellung verlustig. Er lebt heute als Inhaber eines Speiselokals 196 West 14th Place, Chicago Heigtts, Illinois.
Der Handels-Comis Johann Franz Wiederhold glaubte in Amerika eine bessere Existenz zu erhalten, als ihm in der Heimat in Aussicht stand und wanderte aus. Vier seiner Brüder waren ihm schon vorausgeeilt und haben in Amerika ein sorgenfreies Dasein gefunden. Sein Vater war der Kaufmann Johannes Wiederhold, der alte Zeppen genannt.
Hieronymus Ifland, der Sohn des Sattlermeisters Heinrich Ifland an der Wilhelmstraße, folgte 1881 seinen beiden Onkels Joseph und Eduard nach Amerika. Drüben begann er seine Laufbahn als Hoteldiener und hat es heute zum Besitzer eines großen Hotels in Cincinnati gebracht. 1884 ließ er seine Schwester Julchen nachkommen – Gleichzeitig mit Julchen fuhr Elisabeth Hucke nach Amerika. Die Erstere kehrte sehr vermögend nach Deutschland zurück, ist aber mittlerweile verstorben. 1893 reiste auch die Mutter Rosalie, geb. Weiß, mit ihrem am 01. Mai 1875 geborenen Sohn Andreas, der das Schmiedehandwerk erlernt hatte, nach drüben.
- ENDE –
Nachtrag von Heinrich Hucke:
Aloys Schäfer hat in diesem Artikel natürlich nicht alle Dingelstädter genannt, die nach Amerika gegangen sind, sondern nur die ihm bekannten Fälle.
Es fehlen hier zum Beispiel die mit uns verwandten (und uns deshalb bekannten) Brüder Wilhelm und Severin Werkmeister.
Auf den dritten Bruder Georg Werkmeister ist er eingegangen. Sie waren die Söhne des Landwirt Ignaz Werkmeister, geb. am 04.01.1826 und seiner Ehefrau Elisabeth
Wedekind geb. am 29.05.1838 in Helmsdorf und waren die Brüder unserer Großmutter Anna Hucke, geb. Werkmeister, geb. am 11.07.1860.
Georg Werkmeister, geb. am 09.12.1863, +1941, wanderte 1881 im Alter von 18 Jahren aus.
Severin Werkmeister, geb. am 27.06.1865, +1941, wanderte 1885 im Alter von 20 Jahren aus.
Wilhelm Werkmeister, geb. am 01.08.1877, +23.12.1943, wanderte 1892 im Alter von 15
Jahren aus.
Zur Goldenen Hochzeit der Eltern Ignaz und Elisabeth im Jahr 1909 in Dingelstädt waren
Severin und Georg in Dingelstädt zu Besuch (Wilhelm fehlte) beide sind anschließend nach
Amerika zurückgekehrt. Ihr Onkel war Josef Werkmeister (Bruder von Ignaz), welcher schon 1855 nach Cincinnati ausreiste und dort 1896 verstarb. Der hat wohl sicher den Ausschlag dafür gegeben, seinem Beispiel zu folgen.
Die Nachkommen dieser Werkmeister leben noch heute in den USA und stehen mit Familie
Christoph Hütcher (seine Mutter war eine geborene Werkmeister) und mir in Kontakt. Sie
haben uns über meine Hucke-FamilienHomepage und unseren bei Ancestry
veröffentlichten Familienstammbaum gefunden. Inzwischen waren sie auch schon 2011 in
Dingelstädt zu Besuch.
Aloys Schäfer möchte ich noch folgendermaßen ergänzen:
Durch die Verbreitung der Hausweberei erlebte das Eichsfeld im 18. Jahrhundert eine bescheidene Blütezeit. Die Kriege in der napoleonischen Zeit und der Niedergang der Hausweberei verursacht durch Billigimporte aus England, gingen im 19. Jahrhundert einher mit drastischen Preiserhöhungen und den Missernten von 1816/17 und 1845/46. Die daraus für breite Bevölkerungsschichten resultierende wirtschaftliche und soziale Perspektivlosigkeit warf die Frage nach der Alternative auf. Und es gab sie. Die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika hatten einen schier unstillbaren Hunger nach Arbeitskräften und riesige unbewirtschaftete landwirtschaftliche Flächen. Mehr als 1.000 Eichsfelder verließen das Land um sich eine neue Existenz in Amerika aufzubauen.
Seit 1832 erfolgte die Überfahrt von Bremen aus, später dann auch von Hamburg. Die Reise mit dem Segelschiff dauerte je nach Witterungsbedingungen und Windverhältnissen ca. sechs Wochen, später mit dem Dampfschiff immerhin noch 10-15 Tage. Mehr als 15 % der Reisenden erlebten die Ankunft in der Neuen Welt nicht. Für diese gab es nur noch eine Seebestattung. Eingepfercht auf engstem Raum, war die Schiffsreise alles andere als ein schönes Erlebnis. Dabei musste etwa ein Jahreseinkommen für die Überfahrt plus Nebenkosten veranschlagt werden. Die Hauptauswanderungswelle war um 1845. Als Gründe für die Inkaufnahme der Strapazen lassen sich die Hoffnung auf günstigere Arbeits-und Lebensbedingungen, bessere Ernteerträge und der Goldrausch in Kalifornien ab 1848 anführen. Hinzu kam die schlechte wirtschaftliche Lage in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Es gab aber auch noch andere Gründe. So wird berichtet, dass einige heimlich nach Amerika gezogen sind, ohne die „vielen Gläubiger befriedigt zu haben.“ Die Auswanderungswilligen wurden auf dem Eichsfeld aktiv angeworben. Es gab Anzeigen in
der Zeitung von „concessionierten Auswanderungsagenten“ mit folgendem Text:
„Auswanderer nach Amerika per Dampfer des Norddeutschen Lloyd werden zu den billigsten Überfahrtpreisen zu jeder Zeit befördert und es können Contracte bei mir in Empfang genommen werden.“
Auch in Heiligenstadt hatte die Hapag Lloyd eine Geschäftsstelle auf der Wilhelmstraße.
Die Emigration fand meist gemeinsam mit Familienangehörigen statt. Es gingen Ehepaare,
Geschwister oder ganze Familien. Aber auch der geplante Nachzug kam vor. Meist sind dabei die älteren Geschwister zuerst nach Amerika gegangen. In den USA gab es dann später zunächst noch viele Heiraten nur unter Eichsfeldern bzw. Deutschen. Heute sind kaum noch Nachkommen von deutschen Auswanderern anzutreffen, mit denen man sich auf Deutsch verständigen kann. Von Deutschen wurden Ortschaften gegründet in denen Anfangs zu mehr als 95 % nur Deutsche wohnten. Heute hat sich das alles relativiert. Es gibt keinen Ort mehr, von welchem man sagen kann, hier wohnen überwiegend Deutsche.
Genealogie ist in den letzten Jahren allerdings zum Hobby Nr. 1 in den USA geworden.
Die Ur-Ur-Enkel wollen es wieder ganz genau wissen woher sie gekommen sind und Dank Internet und überall gespeicherten Familienstammbäumen sind schon viele Amerikaner fündig geworden. Das betrifft auch unsere Familie.
Von unserer Familie wurden von Aloys Schäfer genannt:
· Catharina Elisabeth Hucke, ausgewandert 1881. Sie war das 9. Kind von Bäckermeister Heinrich Hucke und wurde am 13.04.1860 geboren. Über ihre ältere Schwester Sophia, welche am 22.11.1870 den Sattlermeister Johannes Georg Ifland geheiratet hatte, war sie mit Julchen Ifland verwandt und beide emigrierten zusammen in die USA zu Hieronymus Ifland nach Cincinnati. Julchen kehrte später nach Deutschland zurück. Über Elisabeth wissen wir nichts weiter. Vielleicht hat sie Hieronymus Ifland geheiratet? Ein Ehehindernis bestand ja nicht, da Hieronymus Ifland aus erster Ehe von Johannes Georg Ifland stammt, Blutsverwandtschaft also nicht vorliegt.
· Anna Maria Hucke, Tochter von Handelsmann Anton Hucke aus Dingelstädt wurde am 15.09.1862 geboren. Sie stammte aus dem erloschenen Familienzweig des Fabrikanten Christoph Hucke. Ihr Vater der Handelsmann Anton Hucke starb am 16.07.1886 durch Erhängen (Suizid). In den USA heiratete sie den Dingelstädter Heinrich Dobert.
Aus unserer Familienchronik wissen wir, dass ein weiterer Hucke in die USA ausgewandert ist. Es
handelt sich um Karl Hucke, geb. in Halberstadt. Sein Vater war der Obergerichtsvollzieher
Johannes Hucke. Johannes Hucke war der Sohn von Bäckermeister Heinrich Hucke und Bruder des
Bäckermeisters Karl Hucke. Über den ausgewanderten Karl Hucke wissen wir weiter
nichts, da er im Kirchenbuch nicht aufgeführt ist. Er steht im Kirchenbuch von Halberstadt.
Erwähnung verdienen aber auch die jetzt noch existierenden Zweige unserer Familie in den USA.
Diese Zweige wurden begründet von Ernst Ludwig Hucke, geb. am 02.12.1842 in Helmsdorf,
+02.04.1886 in Millstadt, Illinois. Einer seiner Nachfahren, Matthew Robert Hucke, geb. am
10.07.1971, wohnhaft in Chicago, hat uns auch über das Internet gefunden und steht mit mir in
Verbindung. Sie alle sind die Nachkommen des Bruders unseres Vorfahren Schmiedemeister Johannes
Joseph Hucke, geb. am 22.03.1748. Der Bruder hieß Johannes Georg Hucke, war Landwirt und
wurde am 10.01.1757 in Dingelstädt geboren.
Wie es 1961 auch im Eichsfeld zum Ausbau der schwarzen Kanäle kam
Bekämpfung des Westfernsehens nach dem Mauerbau vom 13. 08. 1961 in Berlin
Mit dem Bau der Mauer 1961 wirkte die ostdeutsche Regierung nicht nur dem seit 1960
erneut wachsenden Flüchtlingsstrom entgegen, sondern schuf gleichzeitig die Voraussetzung für die innere Konsolidierung. Um den Informationsfluss aus dem Westen einzudämmen, blies die Partei- und Staatsführung zum »Sturm auf die Antennen« und schickte am 29.08.1961 ca. 25.000 FDJ-Mitglieder in FDJ-Trupps auf die ostdeutschen Dächer um die nach Westen ausgerichteten Antennen abzureißen. Die FDJ-Aktion hieß „Ochsenkopf–Blitz kontra NATO-Sender“ zur Unterbindung des Fernsehempfangs westlicher Sender in der DDR.
Zeitung „Das Volk“ 20.08.1961
Wer kann das mit seinem Gewissen vereinbaren?
Einige Worte an Frau Erdmann und andere Westfernsehsüchtige
Zweimal in einer Generation ging der Krieg von deutschem Boden aus. Zweimal wurde
Deutschland an den Rand des Abgrunds gebracht. Insgesamt wurden in dem vom deutschen Militarismus und Faschismus organisiertem Völkermorden 27 Millionen Menschen umgebracht.
Aus der Stadt Heiligenstadt haben im 2. Weltkrieg 242 junge Männer auf dem Schlachtfeld für den Profit der Krupp, Thyssen und IG Farben ihr Leben lassen müssen. Die Aufzählung ist längst nicht vollzählig: 200.000 deutsche Demokraten und Antifaschisten, Kommunisten, Sozialdemokraten, Parteilose, darunter nicht wenige Geistliche, wurden in den Konzentrationslagern ermordet.
Viele der Schuldigen an diesen barbarischen Verbrechen sitzen heute in Westdeutschland
wieder in verantwortlichen Positionen und hetzen zum Kriege. Sie beeinflussen die öffentliche Meinung und beherrschen Rundfunk und Fernsehen und verbreiten ungehindert das Gift des Revanchismus und des Völkerhasses. Zu denen, die den Kriegstreibern ihr Ohr leihen, gehört auch Frau Erdmann, die in Heiligenstadt, Mühlgraben 6 wohnt. Gerade sie, die im zweiten Weltkrieg ihren Mann verloren hat, hätte Veranlassung genug, den alten und zugleich neuen Kriegstreibern energischen Kampf anzusagen. Durch die Politik der Arbeiter –und Bauern – Macht war es möglich, dass Frau Erdmann ein Neubauwohnung beziehen konnte. Mit zwei Halbwaisen konnte sich Frau Erdmann eine gute Wohnungseinrichtung und einen Fernsehapparat anschaffen, weil unser Staat eine Politik des Friedens, eine Politik für das Wohl des Volkes betreibt, nur deshalb konnte sich Frau Erdmann, ebenfalls wie tausende Bürger, ein angenehmes und kulturvolles Leben einrichten. In
16 Jahren harter Arbeit durch die Arbeiter, Bauern, Wissenschaftler, Intelligenz und alle Werktätigen wurde das Chaos, das uns der Faschismus hinterließ, überwunden und eine starke Industrie aufgebaut. Das ist auch die Grundlage für den Wohlstand von Frau Erdmann. Man müsste annehmen, dass sich Frau Erdmann voller Abscheu vom deutschen Militarismus, der ihr den Mann geraubt hat, wenden würde. Das Gegenteil ist der Fall.
Den Fernsehapparat, der von den Arbeitern im volkseigenen Betrieb unserer Deutschen Demokratischen Republik gefertigt wurde, nutzt sie aus, um die wüste Hetze des Militarismus und ihrer Lakaien, den Speichelleckern des deutschen Kapitalismus gegen unsere junge Deutsche Demokratische Republik in sich aufzunehmen. Um die Hetzmeldungen, die jeden Menschen blind und taub für den Fortschritt machen, recht gut zu empfangen, ließ sie sich sogar ein zweite Antenne auf dem Dach anbringen. Nicht genug, dass sie und ihre Kinder diese Sendungen hören, macht sich Frau Erdmann noch zum Handlanger derjenigen, die die Erfolge unserer gemeinsamen Arbeit verhöhnen, indem sie ihre Fenster weit geöffnet hat und mit übergroßer Lautstärke die Nachbarschaft mit dem Gift der Feinde des Volkes und des Friedens versorgt. Was erwartet Frau Erdmann von einem Staat und dessen Sendern, in dem Globke, Speidel, Heusinger, Strauß,
Oberländer, Krupp und andere herrschen? Ich wollte es Ihr begreiflich machen, doch mir
schlug sie die Tür vor der Nase zu, so dass es mir nur auf diesem Wege möglich ist, es nachzuholen. Die Werktätigen haben in der Vergangenheit die Politik der Militaristen und Kapitalisten mit sehr viel Opfern, mit sehr viel Leid und Tränen quittieren müssen. Deshalb kann es kein Mensch guten Willens mit seinem Gewissen vereinbaren und gegenüber der Zukunft unseres Vaterlandes verantworten, die Stimme des Atomkrieges zu hören. An Frau Erdmann und die übrigen Westfern-Seher –und Hörer der Stimme des Todes ergeht darum die Forderung, Schluss zu machen mit diesem schändlichen Treiben. Wer vom Gift des Militarismus nimmt, geht daran kaputt. Wer uns das Recht gibt eine solch harte Sprache anzuschlagen? Die Toten zweier Weltkriege, die in den Konzentrationslagern gemordeten Antifaschisten und die friedliebenden Menschen der ganzen Welt.
A. Pusch
„Das Volk“ vom 02.09.61
Wir werden dem Westfernsehen einen Riegel vorschieben!
Wir Kollegen der Fernsehreparaturwerkstätten des volkseigenen und genossenschaftlichen Handels und des Dienstleistungsbetriebes der Stadt Heiligenstadt stehen vollinhaltlich hinter den Maßnahmen unserer Regierung vom 13.08.1961.
An diesem Tage wurde in Berlin den Kriegstreibern und Militaristen im Westen unserer Heimat ein entscheidender Schlag versetzt. Wir sind uns klar darüber, dass nunmehr der Gegner versuchen wird, den Druck auf die Westgrenze unserer Deutschen Demokratischen Republik zu verstärken und besonders in seinen Rundfunk –und Fernsehsendungen weiter Unruhe und Verwirrung unter unserer Bevölkerung zu stiften und sie zu Provokationen zu veranlassen. Wir haben der Appell der Kollegen des Leipziger Rundfunk –und Fernsehmechanikerhandwerks gelesen und vertreten gleichfalls einstimmig die Auffassung, dass wir alle Kräfte einsetzen müssen, unsere Deutsche Demokratische Republik, den ersten Arbeiter –und Bauernstaat, gegen diese feindlichen Angriffe zu schützen.
Wir erklären, dass wir:
1. durch unseren Antennenbau keinem Bürger unseres Kreises mehr die Möglichkeit schaffen werden, Westfernsehen zu sehen.
2. dass wir solche Geräte nicht mehr reparieren werden, die zum Empfang von feindlichen Sendungen benutzt werden.
Wir haben uns zu dieser Erklärung entschlossen im Hinblick auf die große Verantwortung, die wir als verantwortliche Mitarbeiter des gesellschaftlichen Handels für die Stärkung unserer Deutschen Demokratischen Republik und zur Erhaltung des Friedens tragen.
Die Kollegen der Rundfunk -und Fernsehwerkstatt der HO, des Konsums und des Dienstleistungs- betriebes der Stadt Heiligenstadt.
Busse, Kluck, Bodenberger, Hüttenmüller, Klingebiel, Bemmlott.
Klare Verhältnisse im Kopf setzen klare Verhältnisse auf dem Dach voraus.
Das Volk“ vom 13.09.1961
Den Werktätigen in den Rücken gefallen.
Wenn in zehn, zwanzig oder noch mehr Jahren über die historische Situation unsere Tage
gesprochen wird, sind die Fronten selbstverständlich klarer als heute. Das heißt, für den, der sich an der richtigen Stelle informiert, sind sie auch heute schon klar, denn für jeden ehrlichen Menschen kann die Wahl zwischen Sozialismus und Imperialismus – Militarismus oder, um noch konkreter zu werden, zwischen Frieden und Atomkrieg nicht schwer fallen. Wenn aber die Kinder oder die Enkel von Josef und Erich Riethmüller, beide aus Fürstenhagen, dann ihre Väter bzw. ihre Großväter fragen: „Auf welcher Seite hast Du damals gestanden?“, dann werden beide beschämt nach Ausflüchten suchen müssen, denn sie standen bei dieser entscheidenden Auseinandersetzung auf der falschen Seite. Sie liehen denen ihr Ohr, die das Rad der Geschichte mit allen Mitteln zurückdrehen möchten; sie glaubten denen mehr, die die Welt zuvor schon in zwei mörderische Kriege stürzten und sich aus ihrer Gier nach Profit anschicken, einen dritten noch viel grausameren Weltkrieg vom Zaune zu brechen. Und nicht nur das, um sich im Ort gesellschaftlich zu betätigen und die fortschrittlichsten Kräfte zu unterstützen, hatten sie, wenn man von einigen freiwilligen Arbeitseinsätzen , an denen sie teilnahmen absieht, keine Zeit. Zum Besuch von Versammlungen war auch kaum Zeit vorhanden, aber die Sendungen des westzonalen Fernsehens wurden angesehen. Dort konnte man angeblich mehr erfahren, was in der Welt los ist. Das Schlimme ist, dass hierzu weitere, nicht zur Familie gehörende Personen des Ortes eingeladen wurden. So waren zwölf bzw. fünfzehn Bürger von Fürstenhagen mehr oder weniger regelmäßig der Propaganda derjenigen ausgesetzt, die unsere
größten Feinde sind. Es wurde regelmäßig die sogenannte Tagesschau verfolgt, die eine sehr trübe Quelle der Fehlinformationen ist. Sie verbreitet laufend die Argumente gegen unsere Republik. Übelste Machwerke der Völkerverhetzung und Revanchepolitik wie „Soweit die Füße tragen“, „Das dritte Reich“, „Am grünen Strand der Spree“ über den Eichmann Prozess u.a. wurden gemeinschaftlich angesehen. Aber auch die Unterhaltungs –und Sportsendungen richten sich raffiniert und in feindosierter Form gegen unseren sozialistischen Aufbau und die friedliebenden Kräfte. Das sind Sendungen in denen gemeinste Antisowjethetze betrieben wird, und die historischen Tatsachen auf den Kopf gestellt werden, um die Völker zu verdummen und für einen neuen Krieg reif zu machen. Die Bonner Militaristen und Revanchisten verwenden die von ihnen beherrschten Sender dazu, um Positionen zu schaffen, von denen aus die DDR aufgeweicht und aufgerollt werden soll. Anstatt dieser Stimme der Kriegstreiber energischen Kampf anzusagen, machten sie anderen Bürgern fortgesetzt diese Propaganda gegen ihren eigenen Staat, gegen ihre eigene Arbeit und gegen sich selbst zugänglich. Sie verbreiteten die Ideologie derer weiter, die unser Unglück wollen. Deshalb hatten sich Erich und Josef Riethmüller vor dem in Heiligenstadt tagenden I. Senat des Bezirksgerichtes Erfurt zu verantworten. Die Ziele der Bonner sind bekannt. Sie wollen das Ergebnis des 2. Weltkrieges, der für Strauß und seinen Anhang noch nicht beendet ist, revidieren. Das heißt nichts anderes, als die Errungenschaften der Arbeiter -und Bauern-Macht beseitigen, unsere Republik in den Bonner NatoStaat einverleiben und die Grenzen des Deutschland von 1938 wieder herstellen, um gegen die Sowjetunion aufmarschieren zu können.
Was sind das für Arbeiter, wie gering ist ihr Klassenbewusstsein, um nicht zu erkennen, auf welche Seite sie gehören? Wie wenig Stolz sie besitzen, der Arbeiterklasse anzugehören, beweist, dass sie mitunter schon ganz im Jargon des Klassengegners sprachen. Aber deshalb standen sie nicht vor Gericht. Vor Gericht standen sie, weil sie den Werktätigen unserer Republik die gegenwärtig alle Anstrengungen unternehmen und mit neuen sozialistischen Taten in der Produktion oder ihrer Verteidigungsbereitschaft beitragen, den Kriegshetzern Paroli zu bieten in den Rücken fielen.
2 Jahre und 6 Monate Gefängnis für Erich Riethmüller und 2 Jahre und 3 Monate
Gefängnis für Josef Riethmüller sowie Einziehung der Fernsehgeräte lautete das Urteil.
Die Strafe ist hart und gerecht. Sie ist notwendig, weil es in der Auseinandersetzung zwischen Krieg und Frieden darum geht, denen, die mit dem Feuer spielen keinen Zoll Boden einzuräumen. Zu groß ist die Verantwortung, die unsere Republik für die Sicherung des Friedens trägt. Deshalb ist höchste Wachsamkeit geboten, das schulden wir den in den faschistischen Konzentrationslagern gemordeten Antifaschisten und den Toten zweier Weltkriege. Es muss endlich Schluss gemacht werden, dass jede Generation einen Weltkrieg erleben muss; die Völker wollen in Glück und Frieden leben.
L.W
„Das Volk“ vom 14.09.1961
„Freiheitsapostel“ von Hetzsendern Gnaden
Wer unsere Volkswahlen verunglimpft kriegt eins auf die Pfoten (Gekürzter Auszug) Weil der Sondershäuser Helmut Pichel keine Kreuze auf seinem Wahlstimmzettel mehr machen
kann, hat er in verschiedenen Lokalen frech behauptet, dass die Wahl am 17. September 1961 keine freie Wahl mehr ist. Wegen staatsgefährdender Propaganda und Hetze wurde H. Pichel zu 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt und wird in dieser Zeit auch auf flotte Tanzmusik verzichten müssen.
„Wer sein Radio nach Westen stellt,
ist am Ende doch nur selbst geprellt“.
Das Volk“ vom 28.09.1961
Weg mit den schwarzen Kanälen
Gerbershäuser Lehrer leihen ihr Ohr nicht dem Klassengegner.
Gerbershausen. Offen zur Politik unserer Arbeiter -und Bauern-Macht bekannten sich die Mitglieder des pädagogischen Rates in Gerbershausen. Sie diskutierten darüber, wie schädlich es ist, wenn unsere ärgsten Feinde über Rundfunk und Fernsehen täglich ihr Gift verspritzen. Wir lassen uns in unserer Aufbauarbeit nicht beirren, sagten sie sich und beschlossen, freiwillig die schwarzen Kanäle aus ihren Fernsehgeräten ausbauen zu lassen. In einer Einwohnerversammlung vertraten sie ihren Standpunkt und forderten die Menschen auf, ebenfalls denen, die gegen unseren sozialistischen Aufbau hetzen, nicht mehr Auge und Ohr zu widmen. Die LPG Bauern Apel und Schmoranzer folgten dem Beispiel der Lehrer. Die Genossenschaftsbauern von Gerbershausen unterstreichen ihre Verbundenheit zur Friedenspolitik unserer Regierung in dem sie sich verpflichteten bis zum 30. September den Staatsplan in Getreide zu erfüllen.
„Das Volk“ vom 07.10.1961
Wir sind stolz auf unser Dorf
Gerbershausen. Zu den ungezählten Zeugen friedlichen Aufbaus zählt auch der Wohnungsbau in Gerbershausen. In den letzten zwei Jahren sind hier 28 neue Wohnungen entstanden. Die Gerbershäuser sind unserer Regierung dankbar und wollen sich nicht gegen ihre Friedenspolitik aufhetzen lassen. Deshalb beschlossen die Gemeindevertreter mit allen Fernsehgerätebesitzern zu sprechen, damit sie sich freiwillig bereit erklären, auf das westliche Gift zu verzichten und ihre schwarzen Kanäle ausbauen zu lassen. „Wir können stolz sein auf die Entwicklung unseres Dorfes und seiner Menschen“, sagte Zigarrenmeister Spieß. „Sie vertrauen der Arbeiter–und Bauern–Macht. Kaum ein Einwohner hat unseren Staat verraten und seine Arbeitskraft an die verkauft, die in Westdeutschland noch immer die Arbeiter aussaugen und die DDR einverleiben möchten“. August Spieß ist als Gemeindevertreter für die Kulturarbeit verantwortlich. Als nächste Aufgabe hat er sich
gemeinsamen mit der Ständigen Kommission vorgenommen, die Saalverhältnisse in Ordnung zu bringen, zusammen mit der Schule eine Musikgruppe zu gründen und die Laienspielgruppe wieder aufzubauen. So soll auch in dieser Grenzgemeinde ein kulturvolleres Leben Einzug halten.
Das Volk“ vom 27.10.1961:
Gerbershausen antwortet Geismar
Frauen fühlen sich für die Verteidigungsbereitschaft mit verantwortlich
DFD –Gruppe beriet Arbeitsprogramm als Beitrag zum Abschluss des Friedensvertrages (Auszug)
„Auch wir Frauen fühlen uns für die ständige Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft unseres Arbeiter –und Bauern-Staates verantwortlich“, heißt es in der Antwort. Die Mitglieder verpflichteten sich, auf ihre Söhne einzuwirken bzw. andere Jugendliche für den Ehrendienst in den bewaffneten Organen zu werben. Des Weiteren streben die Freundinnen des DFD eine ständige Verbindung mit den Jugendlichen des Ortes an, die gegenwärtig den bewaffneten Schutz unserer Republik übernommen haben. Durch regelmäßigen Briefwechsel wird das geschehen. Zu Weihnachten soll jeder Gerbershäuser, der seinen Ehrendienst leistet, von der DFD-Gruppe ein Geschenkpäckchen erhalten, damit unsere Soldaten spüren, wie sehr sich die Bevölkerung mit ihnen verbunden fühlt. Bei der wirksamen Durchsetzung der Maßnahmen zum Schutz unserer Staatsgrenze unterstützen die Frauen den Beschluss der Gemeindevertretung, alle Westkanäle der Fernsehgeräte auszubauen, indem sie mit den Einwohnern über die Notwendigkeit dieser Maßnahmen diskutieren. Die DFD -Gruppe stellte sich weitere Aufgaben wie: im Nationalen Aufbauwerk und in der LPG mitzuhelfen bzw. auch auf dem Gebiet der Agitation –und Kulturarbeit stärker in Erscheinung zu treten. Die Gerbershäuser Freundinnen fordern alle Gruppen des Kreises auf, ihrem Beispiel zu folgen, weil sie dadurch einen wichtigen Beitrag leisten, den deutschen Militarismus zu bändigen.
Anmerkung von Heinrich Hucke:
Von 1976 bis 1981 wohnte ich mit meiner Familie in einem Wohnblock der NVA in Bad Salzungen.
Dort war ein Westfernsehempfang nicht möglich. Mehrere Versuche mit einer heimlichen Antenne an verschiedenen Orten in der Wohnung blieben erfolglos. Öffentlich sichtbar (Balkon), durfte ich keine Antenne anbringen. 1981, nach vorzeitiger Entlassung aus der NVA, zog ich von Bad Salzungen zurück auf das Eichsfeld. Wie ungläubig erstaunt war ich, als ich feststellen konnte, dass in einer normalen staatlichen Mietwohnung der kommunalen Wohnungswirtschaft der Westfernsehempfang aus der Steckdose möglich war. Eine eigene Antenne auf dem Wohnblock oder dem Balkon war nicht mehr erforderlich. Was für ein Fortschritt gegenüber 1961 !!! Nach Ankunft in Leinefelde, und nachdem der Möbeltransport entladen war, haben wir in der neuen Wohnung als erstes den Fernseher angeschlossen, Kaffee gekocht und eine ganze Weile ferngesehen. Erst danach sind
wir daran gegangen die Möbel aufzustellen. Ich dachte damals: „Die Werktätigen (außerhalb der NVA) leben hier schon im Sozialismus“. Das war für uns schon ein bedeutendes Ereignis. Für die Leinefelder war es schon normaler Alltag
Oben: Familienwappen in Stein gehauen
Unten: Familienwappen als Bild