Inhalt von Nr. 04:
1. Spitzelbericht des IM „Michael“ vom 29.03.1989 über Theodor Hucke
2. Meine Erinnerungen an meine Ausreise aus der DDR - von Theodor Hucke
3. Nachtrag von Heinrich Hucke zur Grenzöffnung 1989
4. Schreiben von Theodor Hucke wegen Erteilung eines Flüchtlingsausweises „C“.
5. Häufigste Todesursache 2007 im Eichsfeld: Herz und Kreislaufversagen
6. Eichsfelder Mundart: Gut geschmocht, De drei Punkte, Borjen tu ich nitt
7. Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute. Vorgestellt: Prof Dr. Johann Carl Fuhlrot
Spitzelbericht des IM „Michael“ vom 29.03.1989 über Theodor Hucke,
Dingelstädt, an das MfS, Kreisdienststelle Worbis:
Der ASTA* Hucke, Theodor Ist mir persönlich bekannt. Er ist ein aus meiner Sicht ganz patenter Mensch, der jedoch voll unter der Herrschaft seiner Ehefrau steht und kaum eigenen Willen entwickelt.Er lebt mit der Familie weitgehend im neugebauten Bungalow im Rieth (siehe Skizze) in Dingelstädt. Er ist ruhig, unauffällig und hatte einen guten Leumund bis zu seiner Antragstellung. H. hat eine Leidenschaft, er feiert gern und geht regelmäßig in Gaststätten. Dort tritt er protzig auf, trinkt stets Sekt und wirft mit dem Geld um sich. Über seinen ASTA spricht er nicht.
Nach meiner Meinung ist die Ehefrau die treibende Kraft. Das Vorbild des in der BRD gebliebenen Bruders Gerold H. kann es nicht sein. Wenn der in der BRD so arbeitet wie zuvor hier, wird der bald verhungern. Er hatte in Dingelstädt den Spitznamen „Diskobäcker“, da er nach abendlichen Tanzveranstaltungen, die er oft besuchte, einfach sein Geschäft nicht öffnete. Theo Hucke ist da anders, durchaus willig. Die Eltern beider Brüder sollen den ASTA des Sohnes bzw. der Schwiegertochter und der Handlungsweise des Sohnes Gerold ablehnend gegenüberstehen. Mir ist bekannt, dass T. H. früher regelmäßig Feiern organisierte mit Klassenkameraden und Freunden. Dazu nutzte er zum einen das Anwesen des Vaters in der Hollau (Gemarkung Dingelstädt Richtung Mühlhausen) und zum anderen seinen Bungalow im Rieth. Über den Charakter / Anlässe der Feiern kann ich nichts sagen, auch nicht wie es sich gegenwärtig damit verhält.
Sein Verhalten in der Gaststätte hat sich nicht geändert. Th. H. nutzt als Transportmittel zur Hollau den Geländewagen des Vaters (LW 79-02) Anmerkung der Stasi: beim Treff (handschriftlich) erarbeitet.
ASTA* = Antragsteller auf ständige Ausreise.
Am 09.11.1989 wurde auf der Demonstrationsveranstaltung auf dem „Zentralen Platz“ in Leinefelde bekanntgegeben, dass ab sofort alle Grenzübergangsstellen für jeden geöffnet sind. Keine Kontrollen, keine Dokumente, kein Reisepass.
Meine Erinnerungen an meine Ausreise aus der DDR
von Theodor Hucke
Ende des Sommers 1968 bekam ich Besuch aus dem Freistaat Bayern. Mein Cousin, er war
erschrocken, dass man an der Grenze sein gesamtes Gepäck öffnete und durchstöberte. Eine Spielzeugpistole (angeblich Kriegsspielzeug) wohingegen in der DDR gleichartiges Spielzeug mitunter zu haben war und als Friedensspielzeug deklariert wurde, und zwei Langspielplatten von den Beatles und den Stones wurden ihm einfach weggenommen. Es sei verboten, so etwas in die DDR einzuführen. So eine Bevormundung und Unfreiheit konnte er nicht verstehen. Als er für meinen Vater Zigaretten (F6) holen sollte und bekam sie nicht, konnte er die Welt nicht mehr verstehen. Ich erzählte ihm natürlich gleich noch, dass es vieles, z.B. Klopapier, Zahnbürsten oder verschiedene Waschpulver nicht immer zu haben sind. Er wollte nicht begreifen, wie man es in diesem Land aushalten könnte. Die Krönung für seine Eindrücke von einer DDR-Besuchsreise war, dass man ihm Geschenke von mir, ein Telefon aus den zwanziger Jahren, einen alten Türkendolch und Briefmarken, ganze Sätze aus der Kaiserzeit und der NS-Zeit, einfach wegnahm.
Er schrieb mir auf dieses negative DDR-Erlebnis, dass ich diesem Scheißland doch den Rücken kehren soll und zu ihm nach Bayern kommen soll. Es regten sich von da an in mir die ersten Gedanken, wie ich es anstellen könnte, in das freie Deutschland zu gelangen. Ich verbrachte also zielgerichtet meine Herbstferien in einem grenznahen Dorf bei Verwandten. Ich fuhr mit meinem Onkel aufs Feld und ließ mir die Grenze zeigen. Er warnte mich gleich, dass ich nicht so nah dorthin gehen soll, sonst kommen die Grenzer und nehmen mich mit. Er merkte durch meine Fragerei, dass ich an dieser Grenze sehr interessiert war und erzählte mir, dass noch zwei Stacheldrahtzäune da seien und das die Grenze unüberwindlich sei, weil zwischen diesen Zäunen Minen versteckt sind, die einen bei Berührung zerfetzen. Außerdem darf man die Zäune nicht berühren, weil Strom in ihnen
fließt und wenn die Grenzer einen in der Nähe des Zaunes erwischen wird man sofort verhaftet und wenn man fortläuft schießen sie hinterher. Mein Eindruck war also, dass es aussichtslos ist, aus der DDR zu kommen, zumal man dauernd hörte, dass wieder und wieder jemand geschnappt wurde und ins Gefängnis gesteckt wurde.
Als ich 14 Jahre alt wurde, hörte ich zu, als sich mein Vater mit einem Freund unterhielt. Ich erfuhr, dass Vater und sein Freund, nachdem sie aus dem Krieg heimgekehrt waren und in Deutschland alles sehr trostlos aussah, von zu Hause „ausrückten“ mit dem Ziel, Australien oder Amerika zu erreichen.
Die beiden wurden aber im Hamburger Hafen, wo sie sich auf einem Schiff als blinde Passagiere verstecken wollten, erwischt und von der Polizei festgesetzt. Mein Großvater wurde benachrichtigt und holte seinen Sohn zurück nach Hause, wo er dem bitten seiner Mutter nachgab und den Bäckereibetrieb seines Vaters übernahm.
Von den geschilderten Eindrücken gelenkt und durch schulische Probleme (keine Mitgliedschaft in der Pionier- bzw. FDJ-Organisation*, Verweigerung gesellschaftlicher Arbeit und unmotiviertem Lerneifer, (der zu den entsprechenden Noten führte), packte ich kurzerhand am 10.04.1969 meine Wertsachen und einige Textilien und beschloss, bis zur tschechischen Grenze zu trampen und sie bei Nacht zu überqueren, weil mir bekannt war, dass sie nicht so bewacht wurde, wie die Grenze zur Bundesrepublik. Weiterhin war mir bekannt, dass wiederum die Grenze von der Tschechoslowakei zur BRD nicht so lebensgefährlich zu überwinden sei, wie die zwischen den beiden deutschen Staaten.
Dieser mein Plan wurde aber schon kurz hinter Erfurt von einer Polizeistreife vereitelt, die mich kontrollierte. Während der Schulzeit hat sich ein 14jähriger nicht so weit von zu Hause herumzutreiben. Man durchwühlte erst mal meine Sachen. Da man in meiner Brieftasche eine Hetzschrift auf die DDR und den damaligen Staatschef Walter Ulbricht fand, wurde ich vorläufig festgenommen und der Kripo Erfurt übergeben. Auf einer mitgeführten Landkarte hatte ich die Orte Erfurt, Plauen, Cheb und Hof angekreuzt. Darauf prügelte man mit Faustschlägen und Fußtritten ein Geständnis aus mir. Ich wurde dann in die U-Haftanstalt Gotha gebracht und ca. 2 Wochen lang mal Tags mal nach Nachts verhört. Von Gotha kam ich nach Erfurt in U-Haft und dann nach Weimar. Nach 6 Wochen, als alle blauen Flecke und eine Platzwunde über dem linken Auge verheilt waren, wurde ich aus der U-Haft entlassen mit der Auflage, sofort meine schulischen Leistungen zu verbessern und gesellschaftliche nützliche Arbeiten zu erledigen. Durch die Einschüchterungen und Repressalien bei meiner Festnahme und während meiner Inhaftierung war ich damals zu allem bereit. Ich wurde FDJ-Mitglied und arbeitete zielstrebig daran, meine schulischen Leistungen zu verbessern. Das Urteil der Hauptverhandlung am 02.06.1969 nahm ich unter dem Eindruck des von April bis Mai erlebtem widerspruchslos hin, trotz des großen Verlustes meiner Münzsammlung, die von den Behörden absichtlich billiger geschätzt wurde, als sie in Wirklichkeit wert war. Ich beendete also die 10. Klasse mit relativ guten Leistungen. Ich nahm eine Bäckerlehre auf und besuchte eine Berufsschule in Erfurt. Dort wurde durch gesellschaftspolitische Bevormundung, vormilitärische Ausbildungslager, in denen es zur Ausbildung gehörte, auf den Schießscheiben abgebildete Bundeswehrsoldaten zu schießen, und dass in der Einschätzung und Bewertung für den Facharbeiterbrief, Gesellschaftswissenschaft, Marxismus/Leninismus, Geschichte und Staatsbürgerkunde höher gewertet wurden, als fachspezifische Unterrichtsfächer, ließen den Drang nach einem freieren Leben aufs Neue in mir erglühen und ich plante, nach dem Abschluss meiner Bäckereilehre mich bei der Handelsmarine zu bewerben, um dadurch in die freie Welt zu gelangen. Im Herbst 1973 bewarb ich mich in einem Büro der Handelsmarine in Erfurt als Schiffsbäcker, gab aber nicht an, dass ich wegen versuchter Republikflucht verurteilt war, was diesem Büro aber durch ein angefordertes polizeiliches Führungszeugnis offenbart wurde. Ich wurde also abgelehnt. Kurz danach wurde ich das erste Mal für den Wehrdienst gemustert. Ich
versuchte zu den Grenztruppen zu kommen, mit dem Gedanken, dass ich durch die Kenntnisse über die Grenze, die ich dort erwerben könnte, dann leicht über diese gelangen würde. Ich wurde aber als Mot-Schütze* eingestuft und kam so im November 1974 nach Prora auf die Insel Rügen.
Kurz vor dem Beginn meiner Armeezeit lernte ich Eva-Maria Wedekind kennen, die ich noch
während dieser Zeit am 21.05.1975 heiratete. Während meiner Armeezeit musste ich 8 Tage in Arrest. 5 Tage wegen Wachverletzung (eingeschlafen) und 3 Tage wegen Diffamierung, Beleidigung und Herabwürdigung eines hohen Politikers. Ich hatte der Witzfigur Hermann Axen große Ohren, einen Kaiser-Wilhelm-Bart und kleine Hörner auf einem Bild im „Neuen Deutschland“ aufgemalt. Die sinnlose unmenschliche Armeezeit werde ich nie vergessen. Doch der Gedanke, die DDR zu verlassen, wurde zeitweilig durch die Liebe zu meiner Frau und die Geburt unserer ersten zwei Kinder in den Hintergrund gedrängt. Erst im Mai 1978, als ich, um Musik von verschiedenen Rock-Gruppen zu hören, auf dem Pressefest auf der IGA* in Erfurt war und bei einem massiven Polizeieinsatz gegen Jugendliche und unbeteiligte Passanten, mit Schlagstöcken misshandelt wurde, sagte ich mir. „Hier (DDR) musst Du raus!“.
Nach der Geburt unseres 2. Kindes im Sommer 1978 sprach ich mit meiner Frau darüber. Sie wollte aber nichts davon wissen, sie hatte Angst, dass sie und ihr Vater durch einen Ausreiseantrag von uns, aus dem Schuldienst geworfen würden und ich eventuell ins Gefängnis müsste. Aus Rücksicht auf unsere Familie und unsere Eltern, sah ich vorerst von einer Antragstellung ab. 1979 musste ich, da mein Vater aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf aufgeben musste, seine Bäckerei übernehmen. Da mein polizeiliches Führungszeugnis wiederum nicht dafür sprach, musste der Rat des Kreises Abteilung ÖVW*, der HWK* Vorsitzende und der Leiter der ELG* über die Gewerbegenehmigung zur Weiterführung des väterlichen Geschäftes entscheiden. Aus versorgungspolitischen Gründen durfte ich das Geschäft übernehmen, ich wurde privater Bäckermeister. Immer noch aus Rücksicht und durch die viele Arbeit in der Bäckerei (60 Stunden
und mehr in der Woche) wurde der Ausreisegedanke vorübergehend ein wenig verdrängt. Etwa 1984, nachdem einige Freunde und Bekannte mit der damaligen Ausreisewelle gefahrlos in die BRD gelangt sind, beherrschte dieses Thema wieder ausschließlich meinen Geist. Von da an zog ich, wann immer es mir die Zeit erlaubte Erkundigungen ein, traf mich mit anderen Ausreisewilligen und tauschte Erfahrungen aus. Im Herbst 1985 entging ich nur knapp einer Verhaftung wegen Zusammenrottung und staatsfeindlicher Agitation. Weil meine Frau zu einem schulischen Elternabend war und ich unsere 3 Kinder beaufsichtigen musste, konnte ich erst nach 21:30 Uhr zu einem solchen Infotreffen von Ausreisewilligen in einer Gaststätte in L-Stadt gelangen. Ich kam zu meinem Glück zu spät, denn gegen 20:30 Uhr hatte die Stasi, die zu diesem Treffen Anwesenden verhaftet und unter den oben
genannten Anklagepunkten sind zwei Teilnehmer zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Die Kontakte mit Gleichgesinnten gingen danach in anderen Kreisen weiter, aber immer war nur Negatives zu hören. Arbeitsplatzverlust, sture und starrköpfige Zurückweisung von Anträgen, es gäbe keinerlei gesetzliche Grundlagen dafür, Briefe an höhere als Kreisinstanzen wurden nicht beantwortet, zum Teil Bekehrungsvorladungen, Androhung von Strafen bei Agit-Prop-Vergehen*.
Diese Eindrücke schreckten mich noch vor dem Gang zur Behörde (Abt. Inneres) zurück. Nach einem Nervenzusammenbruch meiner Frau im Februar 1987, beschlossen meine Frau und ich, egal welchen Repressalien wir ausgesetzt würden, nach der 1. Hl. Kommunion unserer Kinder einen Ausreiseantrag zu stellen. Am 15. Mai 1987 versuchten wir also erstmals einen Ausreiseantrag zu stellen, wurden aber abgewiesen , es gäbe keine rechtliche Grundlage für die Antragstellung, so etwas gibt es nur zur Familienzusammenführung. Daraufhin erfolgte eine Vorladung zum Bürgermeister. Anwesend waren die Abteilung Inneres des Rates des Kreises Worbis, Abteilung ÖVW des Rates des Kreises Worbis, Chef der HWK des Kreises Worbis, Leiter der ELG und der Bürgermeister. Nach einer längeren Rede des Herrn der Abt. Inneres über Nationalsozialismus, Faschismus, Imperialismus und Kapitalismus, wollte jeder der Anwesenden seine persönliche Hilfe anbieten. Plötzlich sollte ich in absehbarer Zeit eine 4-Raum-Wohnung vom Bürgermeister bekommen, eine Heizungsanlage für die Backstube über die ÖVW, erforderliche bauliche Maßnahmen an der Bäckerei könnten bald mit Unterstützung aller anwesenden Institutionen möglich gemacht werden.
Meine Antwort darauf war: „Wenn das Kind im Brunnen liegt, ist es zu spät!“. Wenn man mir
helfen wolle, dann dahingehend, dass ich diese sogenannte DDR so schnell es geht verlassen kann! Daraufhin wurde ich aus dieser Versammlung „geworfen“.
Ich trat Ende Mai 1987 mit meiner Familie einen zweiwöchigen Urlaub an. Wir fuhren nach
Heringsdorf auf Usedom. Durch übertriebene Unauffälligkeit eines jungen Herrn, der sich ständig in unserer Umgebung aufhielt und von dem uns unsere dortigen Nachbarn verrieten, dass er sie nach uns ausgefragt hatte und ob wir ein Schlauchboot hätten, wussten wir, dass die Firma Stasi „netterweise“ sehr gut auf uns aufpasste. Auf der Rückreise statteten wir dem 750jährigen Ostberlin einen Besuch ab. Ich wusste, dass Pfingsten David Bowe vor dem Reichstag in Berlin[1]West ein Konzert geben wollte und da man vom Brandenburger Tor aus die Musik hätte hören können versuchten wir am späten Nachmittag dorthin zu gelangen. Wir sind aber nur bis zur Friedrichsstraße gekommen. Von dort bis zum Brandenburger Tor war die Straße „Unter den Linden“ total verstopft. Ich habe meine Kinder abwechselnd hochgehalten, damit sie das Brandenburger Tor wenigstens teilweise sehen konnten. Am Abend, als wir wieder zu Hause waren, konnten wir im ZDF sehen, wie human die Stasi ihren Staat vertritt und wie frei sich die DDR Bürger in ihrem Land bewegen und geben dürfen. Wir sahen also mal wieder, wie wichtig es für uns und unsere Kinder ist, diesem friedliebenden und überaus humanen Staat so schnell es irgend möglich ist, den Rücken zu kehren um uns und unseren Kindern eine bessere Zukunft bieten zu können.
Zwei Wochen nach diesem Urlaub, bekamen wir eine Vorladung zur Abteilung Inneres, die wir aber ignorierten und stattdessen fuhren wir erneut für 2 Wochen mit Freunden zu einem Ostseeurlaub nach Zingst. Nach einigen Tagen war auch dort unser „unauffälliger Beschützer“ zugegen. Ein paar Wochen nach diesem Urlaub wollte ein Freund, der mit zu diesem Urlaub war, zu seiner dritten Besuchsreise in die BRD. Er wurde abgelehnt, er solle seinen Umgang wechseln, dann darf er vielleicht wieder fahren. Wir haben unseren Ausreiseantrag Anfang Juli zur Abteilung Inneres gebracht. Er wurde vor unseren Augen in den Papierkorb geworfen. Uns wurde gesagt, dass wirniemals ausreisen dürften. Darauf schickte ich eine Woche später eine Abschrift des Antrages per Einschreiben mit Rückschein nach Worbis zur Abteilung Inneres. Da wir von dieser Firma in
Worbis keine Antwort oder sonst etwas bekamen, schrieben wir jetzt alle 4 bis 6 Wochen an Ost-Berliner Institutionen: Dickel, Mielke, Honecker, Volkskammer. Unseren Ausreiseantrag gab ich außerdem einem Verwandten aus der BRD mit, der ihn hier an die entsprechenden Stellen weiterleitete. Von allen bundesdeutschen Stellen kamen wohlwollende Antworten, auch von Frau von Schulenburg aus West-Berlin. Für uns ergab sich aber nur, dass ich meine Gewerbegenehmigung bis zum 31.12.1987 auf dem Rat des Kreises Worbis Abt. ÖVW abgeben musste. Ich durfte, da ich noch einen Lehrling ausbilden musste als angestellter Bäckermeister weiter arbeiten. Meine Frau verlor für ein Jahr ihre Arbeit und konnte erst ab 01.01.1989 wieder als Teilzeitkraft für niedere Arbeiten eingestellt werden. Wir verloren also durch die Aufkündigung unseres Geschäftes in den darauf folgenden 20 Monaten ca. 35.000 Mark. Im Mai 1988 versuchten wir ein Visum für einen Ungarn-Urlaub zu beantragen. Ablehnung Anfang Juli: Aus Gründen der nationalen Sicherheit abgelehnt. Im Laufe des Jahres 1988 wurde meine Frau auf ein Schreiben in ihrem Namen an den
Innenminister der DDR, Dickel, zur Abteilung Inneres Worbis eingeladen. Zu viert hat man meine
Frau bearbeitet. Ich wäre ein Lügner, ich hätte nie gesessen und alles was ich erzählt habe wäre
erlogen und für sie wäre es das Beste, wenn sie sich von mir trennen würde. Mit „so einem“ könne
man doch nicht glücklich sein und ich wäre auch ein schlechtes Vorbild für meine Kinder. In
Anbetracht der druckvollen männlichen Übermacht mit Strafdrohungen usw. konnte sich meine Frau auf keinen Disput einlassen und kam nach einigen Stunden deprimiert nach Hause und wollte aus Angst mich dazu bewegen, den Ausreiseantrag zurückzunehmen. Ich konnte ihr aber beweisen, dass ich kein Lügner bin.
Am nächsten Sprechtag auf der Abt. Inneres in Worbis wollte ich gegen diese Aktion protestieren
und eine Abschrift des Urteils von damals hinterlegen. Aber: Man habe meiner Frau nur einige Fragen zur Klärung des Sachverhaltes gestellt und ganz sachlich mit ihr geredet. Mir wurde wieder ausdrücklich gesagt, dass die Ausreise in die Bundesrepublik von der Abt. Inneres in Worbis niemals befürwortet werde und ich sollte so schnell es geht wieder anfangen, mich in der soz. Gesellschaft zu integrieren und nach den gegebenen Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens im Sozialismus mich bewegen, verhalten und leben, sonst könne man nach verschiedenen Paragraphen mich dazu zwingen ein sogenannter anständiger Staatsbürger zu werden. Das gab mir natürlich wieder ganz
besonderen Auftrieb, den Ausreiseantrag aufrecht zu erhalten um eines Tages ein freier Mensch sein zu können. Im November 1988 endlich, nach der KSZE-Folgekonferenz in Wien wurde in der DDR ein Gesetz verabschiedet, dass jeder Bürger der DDR ab 01.01.1989 das Recht hat, einen Ausreiseantrag zu stellen. Wir warteten also voller Enthusiasmus auf den Beginn des Jahres 1989.
Nach einiger Skepsis, wie und was das alles zu bedeuten hat, und nach Gesprächen mit anderen Ausreisewilligen bin ich mit meiner ganzen Familie, alle in schwarz-rot-goldenen Pullovern, die meine Frau gestrickt hat, nach Worbis auf die Abt. Inneres gefahren und haben uns den Antrag geholt. Die Kinder wurden bei dieser Gelegenheit gleich gefragt warum und ob sie in die BRD wollen.
Nach den Antworten, wir wollen immer dort sein wo unsere Eltern sind, durften wir gehen. Als ich nach zwei Wochen den ausgefüllten Antrag mit einer ziemlich aggressiven Begründung abgab, wurde mir wieder gesagt, sie kommen hier nie raus! Im Mai beantragten wir also wieder ein Visum für einen Ungarn-Urlaub, das natürlich mit der Begründung abgelehnt wurde, aus Gründen der nationalen Sicherheit. Ich ging also gegen Ende Juni provokatorisch zur Abt. Inneres in Worbis und beschwerte mich, dass meine persönliche Freiheit in der DDR absolut eingeschränkt ist und habe gefragt, ob man meinen Ausreiseantrag nicht ein wenig schneller bearbeiten könne. Darauf musste ich mich von einem „Donnerwetter“ überfahren lassen, was ich mir einbildete, das wäre Amtsanmaßung und ob ich nicht richtig verstanden hätte, dass ich sowieso nicht ausreisen darf, jedenfalls nicht durch die Zustimmung der Abt. Inneres. Und wenn ich nochmal so frech wäre, ihre kostbare Zeit durch mein Erscheinen dort zu vertuen, müsste ich mit anderen Konsequenzen rechnen. Ich soll gefälligst bis zum 20. August 1989 warten, dann werde ich die Entscheidung über meine Ausreise schon erfahren. Dies war natürlich wieder sehr deprimierend und entmutigend.
Ich verfolgte, wie seit den letzten Jahren immer gespannt Nachrichten und politische Sendungen des ZDF und der ARD. Ich hörte des Öfteren von Botschaftsbesetzungen und dachte mir meinen Teil. Also fasste ich am 17.08.1989 endgültig den Entschluss, nach Ost-Berlin zu fahren und in der ständigen Vertretung der BRD vorzusprechen. Da ich wusste, dass am 19.08.1989 in Ost-Berlin Uria Heep und Ten jears afther spielten, erzählte ich meiner Frau und den Kindern , dass ich mit einigen Freunden dorthin fahren werde. Ich erzählte absichtlich nichts von meinen wahren Vorhaben, um meine Familie nicht in Sorge zurückzulassen und damit ich sie nicht durch Mitwisserschaft gefährde, die straffällig ist. Ich fuhr also am 18.08.89 per Anhalter nach Ost-Berlin und machte mich anhand eines Stadtplanes mit der Lage der ständigen Vertretung vertraut. Ich übernachtete bei
Bekannten und suchte am 19.08.89 gegen 09:30 Uhr die Ständige Vertretung der BRD in Ost-Berlin auf. Vor dem Gebäude wurde ich von VP- und Stasi-Angehörigen aufgehalten. Meine Personalien wurden festgestellt und wahrscheinlich über Sprechfunk festgehalten. Ich musste angeben, was ich in Berlin will und wohin ich jetzt will. Ich sagte ich habe Urlaub und bin Tourist, ich möchte mir gern mal die berühmte Charité ansehen und deswegen möchte ich hier langgehen. Ich bekam meinen Ausweis zurück und durfte passieren. Vor dem Eingang der Ständigen Vertretung stand ein großer breiter Volkspolizist, den bat ich beiseite und verschwand in der Botschaft. In der Ständigen Vertretung erzählte ich meinen Werdegang und bat um Hilfe. Man wollte mich mit einer Liste von Rechtsanwälten zu denen ich mit meinem Anliegen gehen könnte abspeisen. Ich sagte, dass mir dies nicht genüge und dass ich ohne definitives Ergebnis die Botschaft nicht verlassen würde. Nach einer ungestümen Belehrung , das das nicht ginge und das es Hausfriedensbruch wäre was ich
vorhabe, erkannte der dann wieder nette Herr, dass ich es ernst meine und führte mich in einen Raum, in dem noch 58 solche wie ich sich aufhielten. Nach zwei Tagen wurde mein Name endlich aufgerufen, mir wurde durch Dr. Vogel im Namen der Regierung der DDR Straffreiheit und positive Bearbeitung meines Ausreiseantrages zugesichert.
Ich verließ das Gebäude und Berlin ohne nochmal aufgehalten zu werden und fuhr per Bahn undTaxe bis nach Hause. Während meiner Abwesenheit kam gegen Nachmittag des 19.08. ein uns bekannter Stasi-Handlanger, der in den letzten zwei Jahren öfters ohne bestimmten Grund in unserer Umgebung auftauchte. Er klingelte meine Frau raus und fragte sie, wo ich bin. Meine Frau konnte nur sagen, dass ich in Berlin zu einem Rockkonzert sei. Dieser Dummkopf verriet meiner Frau allerdings, dass ich in Berlin in der ständigen Vertretung der BRD sei. Da meine Frau nichts davon wusste, war ihre Reaktion entsprechend und sie hielt das für einen Bluff. Nach zwei Tagen tauchte dieser Kerl wieder auf und fragte ganz interessiert nach meinem Verbleib, worauf sich meine Frau dann doch sehr um mich sorgte. Am Nachmittag des 22.07.1989 traf ich aber endlich zu Hause ein und konnte eine überaus frohe Botschaft aus der Botschaft an meine Familie überbringen.
Am 07.08.1989 wurden wir zur Abteilung Inneres vorgeladen und bekamen den langersehnten Laufzettel mit der Auflage, ihn am nächsten Tag wieder abgestempelt und unterschrieben von 16 Institutionen, verteilt über den ganzen Bezirk Erfurt, abzugeben. Ich fuhr mit meiner Frau in den 24 Stunden bis zur Wiederabgabe über 500 km und schrieb in der Nacht für 12 Personen mit Schreibmaschine Erklärungen und konnte am nächsten Tag um 15:00 Uhr den ganzen Quatsch abgeben.
Am 31.08.1989 um 08:00 Uhr wurden wir vorgeladen, uns wurde verkündet, unsere Ausreise
sei bewilligt, wir sollen um 13:00 Uhr zum VPKA* kommen, 110,00 Mark mitbringen unsere
Ausbürgerungsurkunden in Empfang nehmen, unseren Personalausweis abgeben und um 13:45 Uhr mit unseren Koffern vom Busbahnhof Worbis abfahren. Am Grenzübergang Teistungen wurde von 9 Koffern, 2 Reisetaschen und 5 Rucksäcken nur der Koffer vom Zöllner zur Durchsuchung gefordert, in dem ich 100,00 D-Mark versteckt hielt. die ich mir
in der DDR gegen 800,00 Ost-Mark getauscht hatte. Der Zöllner fragte mich, während er den
Koffer durchwühlte, ob ich Kunstgegenstände, Antiquitäten oder Münzen mitführe, was ich
natürlich verneinen konnte. Wie ein Hellseher griff er plötzlich in die Hosentasche meiner
Jogginghose und holte meine zweimal 50,00 DM Scheine heraus. Da ich das Geld auf der
Zollerklärung nicht eingetragen hatte, wurde es ohne Quittung oder Beleg eingezogen. Ich wurde über irgendwelche Zollgesetz-Paragraphen belehrt, aber man wollte von einer Bestrafung absehen. Drei Minuten später befanden wir uns endlich in der Bundesrepublik Deutschland. Die Zöllner hier waren das Gegenteil zu den DDR-Zöllnern, nett, freundlich und zuvorkommend. Uns wurden Getränke gereicht, dann kümmerte man sich um unser Weiterkommen nach Gießen.
Wort-Erklärung:
*FDJ, Freie Deutsche Jugend;
* Mot-Schütze, motorisierter Schütze = Infanterie, aufgesessen auf
Schützenpanzerwagen;
*IGA, Internationale Gartenbau-Ausstellung in Erfurt (heute EGA) ;
*ÖVW, Örtliche Versorgungswirtschaft;
*HWK, Handwerkskammer;
*ELG, Einkaufs-und Liefergenossenschaft des Handwerks
*Agit-Prop, Agitation und Propaganda;
*VPKA, Volkspolizeikreisamt
Nachtrag von Heinrich Hucke zur Grenzöffnung:
Am 09.11.1989 (nur etwas mehr als zwei Monate später) wurde auf der Demonstrationsveranstaltung auf dem „Zentralen Platz“ in Leinefelde bekanntgegeben, dass ab sofort alle Grenzübergangsstellen für jeden geöffnet sind. Keine Kontrollen, keine Dokumente, kein Reisepass. Die Brüder Heinrich Hucke und Alfons Hucke standen bei dieser Demo nebeneinander und der Jubel war groß. Am nächsten Tag war Bruder Alfons plötzlich, unerwartet und heimlich mit seiner Familie verschwunden. Er hatte befürchtet, dass alles ein Irrtum wäre und die Grenzöffnung wieder rückgängig gemacht werden könnte. Er war ja als Jugendlicher auch vorbestraft wegen versuchter Republikflucht, musste allerdings einige Monate im Jugendgefängnis (in der DDR beschönigend Jugendwerkhof genannt) in Ichtershausen absitzen. Den Schlüssel seiner Wohnung in Leinefelde hatte er an seine Kumpel, Freunde und Bekannte übergeben, die räumten für sich aus was sie gebrauchen konnten. Die Familie hatte beim Verlassen der DDR nur Handgepäck dabei. Er kam dann mit seiner Familie ebenfalls zunächst in das Aufnahmelager nach Gießen.
Am ersten freien Samstag nach der Grenzöffnung fuhr dann auch ich mit Familie und meinem PKW Wartburg über den Grenzübergang Teistungen. Die Fahrzeugschlange begann schon vor Breitenbach. Glücklicherweise war unser Tank voll, denn in Leinefelde war schon eine große Warteschlange an der Tankstelle. Alle wollten noch einmal für DDR Geld tanken und in Leinefelde ging dann auch später das Benzin aus. Es hat mehr als zwei Stunden gedauert bis wir am Grenzübergang waren. DDR-Behörden haben wir nicht mehr gesehen.
Auf westdeutscher Seite wurden die PKW vom Bundesgrenzschutz angehalten und die Insassen wurden gefragt, ob sie wieder zurückkehren oder in der BRD bleiben wollten. Wer bleiben wollte, wurde aus der Fahrzeugkolonne herausgeleitet. Die anderen konnten weiterfahren. Wir wollten nur zu unserer Mutter nach Hünfeld bei Fulda und ihr einen kurzen Besuch abstatten. Unseren PKW parkten wir vor dem Haus unserer Mutter. Schon bald fanden sich Passanten ein, welche unseren Wartburg fotografierten. So etwas hatten sie noch nicht gesehen, das Auto dreifarbig (Motorhaube braun, Linker Kotflügel grün und das Auto sonst Blau, alles Ersatzteile aus dem Schrott), abgefahrene Reifen, Lenkradschaltung- statt Knüppelschaltung, Zweitakter und hinten ein „DDR“ Aufkleber. Ich hätte eigentlich einen Zettel anbringen sollen, dass der Wartburg schon über 20 Jahre alt und schon dreimal nach Unfällen neu aufgebaut worden war. Ich hatte den Wartburg 353 W als 16 Jahre altes Auto auf einem Automarkt in Leipzig für 16.000 Mark gekauft. Ansonsten hätte ich noch viele Jahre auf meine PKW-Bestellung warten müssen. Die erste große Anschaffung nach der Wende war dann natürlich ein richtiger PKW. Das Gute am Wartburg war: man konnte vieles noch selber reparieren, wenn man Beziehungen zu Ersatzteilen hatte und er hatte einen großen Kofferraum, was bei unseren Einkäufen in Duderstadt sehr hilfreich war bis dann auch bei uns im Eichsfeld die Einkaufs-Center auf der Wiese standen.
Schreiben von Theodor Hucke an das Landratsamt Biberach, Ausgleichsamt,
wegen Ablehnung seines Antrages vom 23.09.1989 zur Erteilung eines Flüchtlingsausweises „C“.
Erolzheim den 04.05.1990
Werter Herr Kiechle,
Ihre Ablehnungsentscheidung auf meinen Antrag auf Flüchtlingsausweis „C“ kann ich in Keinster Weise akzeptieren. Bitte lesen Sie meinen Antrag noch einmal gründlich durch. Die Voraussetzungen zur Erteilung des „C“ Ausweises werden laut § 3 Abs. 1 des BVFG in mehreren Punkten erfüllt.
• Ich bin nach bundesdeutschem Recht unzulässig in der DDR verurteilt worden,
• meine damalige Existenz wurde durch Beschlagnahme zerstört,
• ich wurde während meiner Inhaftierung körperlich und seelisch misshandelt,
• ich wurde durch Gerichtsurteil gezwungen, den politischen Schwachsinn des kommunistischen Schulsystems unter Erfolgszwang mitzumachen
• wegen der sogenannten Vorstrafe wurde meine Bewerbung zur Handelsmarine abgelehnt (Berufsverbot!),
• weiterhin bekam ich deswegen Schwierigkeiten bei der Zulassung zur Meisterprüfung und der
Gewerbezulassung,
• ich bekam keine Visa um in Ungarn Urlaub machen zu können,
• ich verlor meine Gewerbeerlaubnis durch die Beantragung der Ausreise in die BRD,
• wurde seit der Antragstellung durch die Stasi bespitzelt, sogar während meines Ostseeurlaubs (600 km von zu Haus),
• bei Vorladung zur Abteilung Inneres wurden meiner Frau und mir gedroht, dass man mit uns auch anders verfahren könne, meine Frau solle sich doch von so einem wie mir trennen da ich durch mein Vorhaben ja ein schlechter Vater für meine Kinder sei,
• unsere Kinder wurden wegen Nichtteilnahme am gesellschaftlichen Leben in der Schule diffamiert,
• seit der Legitimierung der Antragstellung zur ständigen Ausreise, wurde dieser im Mai 89 abgelehnt, „unsere Ausreise würde die nationale Sicherheit der DDR beeinträchtigen.Alle diese Beschwernisse und Gefahren ergeben eindeutig eine besondere Zwangslage, die über
das Maß dessen hinausgehen, was die Bevölkerung der DDR aufgrund der dort herrschenden Verhältnisse im Allgemeinen erdulden musste.
Zur Glaubhaftmachung meiner Angaben habe ich Zeugen benannt, von denen Sie entsprechende glaubwürdige Auskünfte bezogen haben (Oder ist ein CSU Ortsgruppenvorsitzender unglaubwürdig?).
Ende Mai fahre ich in meine ehemalige thüringische Heimat. Falls Sie noch irgendetwas zur Glaubhaftmachung meiner Angaben brauchen, würde ich versuchen es zu besorgen. Da wir,
nachdem wir in der DDR wie Aussätzige behandelt wurden, nun auch in Deutschland zum Teil ebenfalls so behandelt wurden und werden und mit dem asozialen Pack, welches nach der Wende über die Bundesrepublik herfällt, weil hier bessere soziale Verhältnisse für diese herrschen, als in der DDR, gleichgesetzt werden und ohne diesen „C“ Ausweis keinem das Gegenteil beweisen können, brauchen wir diesen umso dringlicher, um eventuell von Kanada aufgenommen zu werden, denn 200.000 DM können wir auf keinen Fall aufbringen, um uns dort niederlassen zu können. Bitte senden Sie mir baldigst Ihren Bescheid und geben Sie mir die Stelle an, bei der ich Rechtsbehelfsbelehrung bekomme und schicken Sie mir bitte meinen „C“-Ausweisantrag zurück, damit ich ihn weiterverwenden kann.
Hochachtungsvoll, Unterschrift
Nachtrag:
Mit Schreiben des Landratsamtes Biberach vom 05.12.1990 wurde Theodor Hucke dann informiert, dass ihm der Flüchtlingsausweis ausgestellt wurde.
Häufigste Todesursache 2007 im Eichsfeld: Herz und Kreislaufversagen
An Herz- und Kreislaufversagen starben im Eichsfeld 2007 nach wie vor die meisten Menschen. Todesursache Nummer zwei war 2007 wiederum Krebs, so die neuesten Statistiken. Das durchschnittliche Sterbealter bei 76,1 Jahren. Es hat in den vergangenen Jahren leicht geschwankt.
Insgesamt 499 Männer und Frauen sind 2007 im Eichsfeld an Herz- oder Kreislaufversagen gestorben. Somit nimmt diese Todesursache mit 48,5 Prozent aller Verstorbenen weiter die Spitzenposition ein. An zweiter Stelle rangiert wie in den Vorjahren Krebs. 240 Menschen oder 23,3 Prozent der Verstorbenen erlagen einer bösartigen Neubildung, wie aus jüngsten Statistiken hervorgeht. An dritter Stelle, allerdings mit weit weniger Fällen, standen Drüsenerkrankungen, Ernährungs- und Stoffwechselleiden. Hieran starben im Jahr 2007 insgesamt 50 Eichsfelder. Das durchschnittliche Sterbealter hat in den zurückliegenden Jahren leicht geschwankt. Lag es im Jahr 2005 im Eichsfeld bei 75,5 Jahren, waren es 2006 bei 75,9 Jahre und 2007 76,1 Jahre. Bei der Todesursache Herz-/Kreislauferkrankung lag das Sterbealter der Männer bei 80,8 und der Frauen bei 84,4 Jahren. Bei Krebs hingegen beträgt das mittlere Sterbealter der Männer 70 und der Frauen 73,4 Jahre, heißt es vom Statistischen Landesamt. Insgesamt sind im Eichsfeldkreis im Jahr 2007 1029 Menschen gestorben und damit vier mehr als im Jahr zuvor.
Die meisten Eichsfelder erreichen ein hohes Alter. Das durchschnittliche Sterbealter lag 2007 bei 76,1 Jahren. Landesweit wurden die Thüringer 75,7 Jahre alt.Andererseits hat der Eichsfeldkreis mit 42,7 Jahren nach der Stadt Jena (42,3) das niedrigste Durchschnittsalter im gesamten Freistaat. Der Thüringer Landesdurchschnitt liegt bei 44,9 Jahren, der Durchschnitt in den Kreisen Unstrut[1]Hainich bei 44,2, Nordhausen bei 45,3 und Kyffhäuser bei 45,7.
Eichsfelder Mundart
Gut geschmocht
Vetter Jakob worr zur Arbeit in der Fremde und do mutte sparsam gelabet ware, damet ferr dr’haime veele ebbrich blieb. Nun saete ha ferr sinn’nen Zimmernappern: „Hidde gitt’s Rihräi, un late das Äi uffs Bette und rührte das Mahl in die Pfanne. Ferr lutter erzählen hotte ha daos Äi vergassen. Bim Schlofengenn sog ha die Bescherung un mente:: „Het ä so ganz gut geschmocht!“
Die drei Punkte
Es worr mol wedder so wiet, daß es met enner Prozession ins Klischen gung, abber d’r Pfarr‘ war nit do, so mutte Vetter Franz das Beten ebernahme. Har betete d‘ Muttergotteslitanei un es luff alles gut bis daos „bitte für uns“ nit meh do stunt u Franz kunnte met dan drei Punkten nischt angefange. So bat ha immer „Heilige Mutter Gottes un dree Dippelchen“.
Borjen tu ich nitt
Schmetts Hubert ussem Ingerdorfe fehrt mett d’r Isenbahn hänn in d‘ Staadt. Im Kupee sitzt ehm aen feines Wiebesticke gaejenäbber. Hubert hätt än mächtigen Schnub’n und zitt sinne Nasen immer hach. „Haben Sie denn kein Taschentuch?“ fraet das Wiebesticke. „Dach, aen Schnupptuch ha ich, awwer borjen tu ich uch das nitt .
Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute
Prof Dr. Johann Carl Fuhlrott
Im Jahre 1803, als Leinefelde kaum 500 Einwohner zählte, wurde dort als Sohn eines Gastwirts am 31.Dezember Johann Carl Fuhlrott geboren. Bereits im Kleinkindalter verwaist, verbringt er seine Jugend in der Obhut eines Onkels (Geistlicher) in Seulingen. Vorgymnasiale Schulausbildung erhält er privat bzw. durch Hauslehrer.
1818 besucht er das Gymnasium in Heiligenstadt und legt 1824 die Reifeprüfung ab. An der
Universität Bonn studiert er zunächst Katholische Theologie, wendet sich aber bald der Fakultät der Mathematik und Naturwissenschaften zu. 1828 erarbeitet Fuhlrott eine umfangreiche Monographie im Naturhistorischen Seminar der Universität, die Publikation erscheint 1829. In Münster legt er die Prüfung "pro facultate docendi" (Oberlehrerprüfung) ab. Von 1828 bis 1830 war er Referendar und Lehrer am Gymnasium in Heiligenstadt und ab 1830 Gymnasiallehrer an der Realschule in Eberfeld, wo er bis zu seinem Tode tätig war.
1835 Promotion durch die Universität Tübingen und 1843 wird Fuhlrott zum Oberlehrer ernannt. Er war Gründungsmitglied des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande und Westphalens der 1846 zu Eberfeld und Barmen gegründet wurde. In diese Zeit fallen auch umfangreiche naturkundlich, naturwissenschaftlich und volksbildende Aktivitäten. Im September 1860 erhält Fuhlrott das Amt des Schuldirektor, welches er bis 1862 verwaltet. Ebenfalls in diesem Jahr wird er zum Professor berufen.
1872 hält er vor der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte einen Vortrag.
Als Gymnasiallehrer in Elberfeld begutachtet Fuhlrott 1856 Knochen, die Arbeiter im Neandertal bei Düsseldorf gefunden hatten. Er erkannte sie als Jahrtausendealte Menschenknochen und klassifizierte sie als "Homo Neandertalensis".
Diese Erkenntnis ging als wissenschaftliche Großtat in die Geschichte ein. Durch die 1859
erschienene maßgebliche Publikation über den Neandertaler-Fund musste er sich starker Angriffe und Wiederlegungstheorien, bis zu seinem Tod, erwehren. Erst nach seinem Tod wurde seine revolutionäre Entdeckung zur Menschheitsgeschichte und Evolution durch die Wissenschaft anerkannt.
Am 17. Oktober 1877 ist Johann Carl Fuhlrott verstorben, seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Katholischen Friedhof in Elberfeld-Nordstadt.
1926 wurde in Neandertal und 1931 an seinem Geburtshaus "Zur Insel" Gedenktafeln angebracht. Zu Ehren ihres Sohnes hat die Stadt im Jahre 1956 Johann Carl Fuhlrott einen Gedenkstein errichtet, welcher sich in der Halle-Kasseler-Strasse oberhalb der "Alten Kirche" befindet. Die alte Dorfstraße des Ortes wurde in Johann-Carl-Fuhlrott-Strasse umbenannt und eine Schule wurde nach ihm benannt. Auch noch heute ist sein guterhaltenes Geburtshaus zu besichtigen.
Der Entdecker des Menschen von Le Moustier, Professor Otto Hauser würdigte ihn im Jahre 1927 mit folgenden Worten:
"Fuhlrott entdeckte einen Markstein von eminenter Bedeutung, er hat erstmalig einen ganz neuen Weg vorbereitet; denn der Neandertalerfund Fuhlrotts und seine richtige Einschätzung durch ihn selber, das war die bedeutendste aller großen paläanthropologischen Wegscheiden. Wir alle nach Fuhlrott hatten es viel leichter, der Erkenntnis über die Menschwerdung zu dienen, als dieser große erste Pionier. Hätte dieser große und geniale Forscher sich den Strömungen seiner Zeit und den Hemmungen seiner Umwelt ergeben, so wären wir alle nicht so weit in der Erkenntnis über den Werdegang unseres eigenen Geschlechts. Ohne den mutigen und keine Hindernisse achtenden Forscherweg Fuhlrotts wäre die paläanthropologische Forschung heute ein Stückwerk.
Oben: Familienwappen in Stein gehauen
Unten: Familienwappen als Bild