Inhalt von Nr. 07:
1. Bäckerchronik Dingelstädt (von Ignaz Hucke)
2. 50 Jahre Bäckerei Franz Jäger
3. Bäckerhandwerk Heute
4. Anmerkungen zum Bäckerhandwerk
5. Notgemeinschaft in Dingelstädt
6. Sauerteig Ade - Brot und Brötchen in Bäckereien nicht ohne Chemie
7. Bäckereifest in Leinefelde – „Tag der offenen Backstube“
8. Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute. Vorgestellt: Tilman Riemenschneider
Bäckerchronik von Dingelstädt
von Bäckermeister Ignaz Hucke
(*20.11.1889 + 29.01.1964)
Aus der Vergangenheit des Dingelstädter Bäckerhandwerks
100 Jahre Stadt Dingelstädt - Festumzug - Bäckerinnung - 1959
Von links nach rechts: die Brüder Bäckermeister Ignaz und Hans Hucke, Bäckermeister Helmut Strozinski.
Dahinter Bäcker Josef Hucke, Bäcker Theo Heinemann, Bäckermeister Hans-Karl Hucke.
Festwagen der Bäckerinnung - Des Bäckers Brot des Bäckers Ehre
Alte Bäckereien und Backhäuser sind heute schon als Museum zu besichtigen.
Verfasser Bäckermeister Johannes Wilhelm Hucke
Vorwort zur Bäckerchronik (Verfasser Bäckermeister Hans Hucke)
In der Dingelstädter Stadtchronik, einem Werk des Studienrats Dr. Aloys Schäfer ist auf Seite 31 die Rede von einem Weißbäcker Christian Schuchardt, der im Jahre 1740 lebte. Um die uns alle interessierende Lage seiner Bäckerei zu erkennen, müssen wir die Grundrisskarte auf Seite240 der Stadtchronikeingehend betrachten. Uns interessiert hier vor allem die sogenannte LangeStraße, die später Wilhelmstraße genannt wurde und heute in Geschwister-Scholl-Straße umbenannt worden ist. Wir sehen daselbst den Platz des Friseur Hartmannschen Hauses eingezeichnet, den Fahrweg daneben und parallel dazu verlaufend den Weg an dem Dr. Gertlerschen Grundstück. Sie begrenzten einen Gebäudeblock der heute nicht mehr existiert. Hier stand die Schenke, welche neben dem Gastzimmer die Schöppenstube einnahm. Einen Sitzungssaal des Rathauses gab es damals noch nicht. Ferner enthielt die Schenke noch die Knabenschulzimmer, ein großes Gelass als Gefängniszelle sowie Wirtschaftsräume wie Küche, Vorratsraum und einen Kaufladen für den allgemeinen Bedarf. Um es gleich vorweg zu sagen, dieser Gebäudekomplex wurde 1851 abgerissen um einen Vorplatz für die große Kirche zu schaffen. Die Schenke lag hart an der Geschwister-Scholl-Str. und war in einer Fluchtlinie gelegen mit dem Friseur Hartmannschen Hause.
Das war also auch verkehrsbehindernd, da sich vor dem der Schenke gegenüberliegendem Gasthaus „Zum Stern“ oftmals die Überlandfuhrwerke (30 Stück waren nicht selten aufgefahren) stauten. Das Haus des Weißbäckers Christian Schuchardt lag hart an der Schenke und fiel, wie diese, ebenfalls im Jahr 1851 der Spitzhacke zum Opfer. Zum besseren Verständnis der Grundrisskarte sei noch erwähnt, dass das Grundstück, von dem in der Stadtchronik auf Seite 31 die Rede ist, der heutige Einfahrtsweg des Dr. Gertlerschen Hauses ist. Das Grundstück des heutigen Rathauses ist mit Nr. 6 bezeichnet. Hier
bestand um 1740 herum die Posthalterei. Angrenzend daran Nr. 7 war das Wohnhaus des ebenfalls in der Chronik genannten Schul-und Kirchendieners Degenhardt. Heute ist es das Dr. Gertlersche Haus. Vorher erwarb es Rudolf Wetzel. Seine Mutter bewohnte es. Als sie gestorben war, ging es in den Besitz von Dr. Gertler überBäckerei Christian Schuchardt. Er war ein Verwandter der Familie des Gärtnermeisters Schuchardt beim Kerbschen Berg.
In deren Familienchronik ist er zu finden. Geboren wurde er 1695. Sechs Jahre nach dem erwähnten Grundstücksverkauf ist er 1746 im Alter von 51 Jahren gestorben. Auch ein Bruder von diesem Christian Schuchardt wird in der Familienchronik aufgeführt. Die älteren Mitglieder der Gärtners-Familie wissen auch noch um den Platz, wo die Bäckerei gestanden hat, nämlich, so heißt es , gegenüber dem Dr. Gertlerschen Hause. Das ist alte Familientradition.
Bäckerei Joseph Frankenberg
Der Gründer mit dem Namen Joseph Frankenberg ist geboren 1797. Seine Bäckerei lag ursprünglich auf dem Kerfe, in dem Hause wo früher Viehhändler Metze wohnte und das heute der Bauer Heddergott in Besitz hat. Zur Zeit des großen Brandes im Jahre 1838, der auch dieses Bäckergrundstück in Asche legte, war der Besitzer Frankenberg 41 Jahre alt. Er verlegte seine Bäckerei auf den Platz, wo sie heute noch steht. Er starb 1871 im Alter von 74 Jahren. Sein Sohn Johannes ist ein Altersgenosse meines Vaters Karl Hucke. Dessen Nachfolger der Sohn Hubert Frankenberg wurde 1880 geboren.
Hubert Frankenbergs Schwiegersohn ist Edi Diegmann aus Geisleden. welcher die Bäckerei eine Zeitlang betrieb. Aus persönlichen Umständen, die hier nicht weiter erörtert werden sollen, wurde er republikflüchtig und die Bäckerei steht seitdem leer.
Anmerkung von Heinrich Hucke:
Heute ist hier die Bäckerei und Konditorei Martin Bickel, Kerf 4-6. Die persönlichen Umstände von Edi Diegmann waren, dass er sich in seine Haushälterin verliebt hatte. Er verließ seine Frau und Kinder und wurde mit seiner Geliebten republikflüchtig und ging nach Westdeutschland. Über etliche Jahre stand dann die Bäckerei leer.
Bäckerei Andreas Kirchberg
Nach dem großen Brande gründete Andreas Kirchberg seine Bäckerei in der Wilhelmstraße. Er war ein Altersgenosse von Philipp Ifland und auch im Jahre 1800 geboren. Sein Sohn Edmund, geb. 1826 wurde nur 40 Jahre alt. Die jüngste Tochter Edmunds, eine Lehrerin, erzählte mir, dass ihr Vater infolge einer schweren Erkältung, die er sich im Winter beim Holzfahren zugezogen hatte, gestorben sei. Die Frau Edmunds, welche Philippine hieß, führte das Geschäft noch 17 Jahre weiter, von 1872 bis 1889. Dann lag die Bäckerei Jahre lang still – bis 1897. 1872 war Edmund gestorben. 1897 pachtete Kullmann – wohnhaft am Riethstieg die Bäckerei. Sein Nachfolger als Pächter war Bohnert aus Küllstedt, der sie nur zwei Jahre innehatte. Es war keine Geschäftslage. Beide Pächter mussten sich, wie es in damaliger Zeit üblich war, mit Hausieren in der Stadt oder mit Überlandfahrten ihrer Waren über Wasser halten –wie man sagt. Die benutzten Zugtiere in dieser Zeit waren teils Hunde, teils Ziegenböcke, was uns heute beinahe lächerlich vorkommt in unserer
motorisierten schnelllebigen Zeit. Auch die Metzger holten in dieser Zeit noch ihre Schweine und Kälber mit dem Hundewagen ab. Erst gegen 1910 hielt man sich ein Pferdchen bzw. ein Pferd. Großvieh wurde getrieben.
Bäckerei Philipp Ifland (der Ältere)
Nachdem die Gemeindebäckerei am Anger, die Philipp Ifland bis zuletzt innehatte eingegangen
war, gründete er in der Lindenstraße im Jahre 1829 eine neue Bäckerei. Von Philipp Ifland, dem Gründer der Bäckerei, ging sie auf seinen Sohn Angelus, geboren 1841, über. Angelus starb ohne männlichen Erben im Jahre 1908, 67 Jahre alt. Sein Schwiegersohn, Nicolaus Heinemann, geb. 1863 wurde Nachfolger. Als Georg, der Sohn von Nicolaus, geb. 1894 die Bäckerei seines Vaters übernommen hatte, nahm sie einen guten Aufschwung. Im Jahre 1957 baute er den ersten Dampfbackofen in Dingelstädt. Georg hinterließ keinen männlichen Nachfolger. Die Bäckerei kam zum Erliegen.
Die Gemeindebäckerei auf dem Anger
selbst ist wahrscheinlich bei dem großen Brande 1838 abgebrannt. Nach dieser Zeit hat man nichts wieder von ihr gehört. Auf den Platz, wo die Gemeindebäckerei gestanden hatte, wurde das Spritzenhaus gebaut. In ihm wurden die Bausteine zum Kriegerdenkmal behauen, das 1895 eingeweiht wurde. Mittels einer eigens angebrachten schiefen Ebene wurden die Bausteine mit einer kleinen Lore auf den Bau gefahren. Die Angerjungen sowie die Kerf- und Grabenjungen benutzten den kleinen Eisenwagen oft als Spielzeug zum Herauf –und hinunterfahren.
Im Jahre 1838 scheinen auch alle Häuser am Anger mit abgebrannt zu sein. Die Stadtchronik berichtet nämlich auf Seite 104, dass die Häuser am Anger 1838, also nach dem großen Brande wieder aufgebaut wurden.
Bäckerei Heinrich Hucke, Nachfolger Karl Hucke - Hans Hucke
Im Vertrauen auf die gute Geschäftslage eröffnete mein Großvater (von Hans Hucke) Heinrich Hucke nachdem im Jahre 1838 stattgefundenem großen Brande, dem auch die Gemeindebäckerei am Anger zum Opfer fiel eine neue Bäckerei. Eigentlich war es ein gewagtes Unternehmen in Anbetracht der dreifachen Konkurrenz in der Nähe frisch anzufangen. Hinterm Anger – so hieß damals die heutige Lindenstraße - war die Bäckerei von Angelus Ifland schon 12 Jahre im Gange. Frankenbergs, auf dem Kerf, backten schon seit 14 Jahren und an der Wilhelmstraße war Kirchbergs Bäckerei schon drei Jahre in Betrieb. Die Bäcker selbst waren am Brotverkauf weniger beteiligt. Der Haupthandel lag in den Händen der Kaufleute. Wenn auch der Backlohn gering schien, im Verhältnis zur heutigen Zeit war er auch damals sehr gut. Kostete auch das Brot pro Stück nur 5 Pfennig Backgeld, so konnte man für 5 Pfennig schon ein Ei kaufen, was heute im Jahre 1958 35 bis 40 Pfennig kostet, während das Pfund Brot zu backen 12 Pfennig kostet, was den Preis von einem halben Ei ausmacht. Die Kaufkraft des Geldes beträgt also heute nur die Hälfte von früher. Heinrich Hucke starb 1890 – 79 Jahre alt. Sein Sohn Karl, mein Vater, geb. 1847 führte das Geschäft weiter. Er starb 1919. Im Jahre 1896, im August, baute er einen neuen Ofen für Kohlefeuerung. Bisher wurden die Backöfen ausschließlich mit Holz geheizt, was sehr lästig und zeitraubend war. Das ganze Jahr hindurch musste Holz gefahren werden, die Scheite gespalten, gestapelt und umgestapelt werden. Im Jahre 1915 hörte auch das beschwerliche Trögefahren auf. Die derzeitigen Bäcker waren alt und junge Arbeitskräfte mussten zum Militär und in den Krieg. Es war eine große Erleichterung, weil die Bäcker jetzt den Brotteig zum Brotbacken selber herstellten und dann das fertige Brot an die Kunden ins Haus lieferten oder schon in der Bäckerei verkauften. Die Kunden konnten auch weiterhin ihren Teig selbst machen, mussten ihn dann aber auch selbst in die Bäckerei zum Ausbacken bringen. Vorher war es so, dass wir Bäckerjungen morgens die Kunden aufsuchen mussten um zu erfragen ob diese heute Brot backen wollten. Das ganze nannte sich bei uns „Kneten“ weil die Kunden dann ihren Brotteig selbst kneteten und wir dann die Kunden nach einer Stunde ein zweites Mal aufsuchten um den fertig gekneteten Teig im Trog beim Kunden abzuholen. In der Bäckerei wurde das Brot nur ausgebacken und wenn das Brot gar war, musste das Brot in den Trögen wieder zurück zur Kundschaft gebracht werden und der Bäcker erhielt sein Backgeld. Wir am Anger hatten beim "Trögefahren" wegen der Steigungen schwierige Wegeverhältnisse. Der Kerf und der Graben machten uns viel zu schaffen. Im Jahre 1910, als ich krank war, schafften wir einen Ziehhund an. Das Trögefahren machte jetzt sogar Freude. Aber auf den Wagen setzen war verboten. Einige Male wurde ich deswegen angezeigt. Ich fuhr auch manchmal zu toll. Das erste Mal Strafe kostete eine Mark, dann zwei Mark und weiter immer eine Mark mehr. Da wusste man schon vorher, was man für Strafe zu bezahlen hatte. Mein Vater Karl Hucke starb 1919 im Alter von 72 Jahren. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Hans, geb. 1895.
Unter seiner Führung nahm das Geschäft weiterhin einen guten Aufschwung. Durch Zukauf des Nachbarhauses Hartmann wurde die Möglichkeit geschaffen, sich zur ersten Bäckerei der Stadt zum erheben.
Bäckerei Karl Montag
Alle Bäckereien in der Zeit vor 1842 lagen mehr im Zentrum der Stadt. Dieser Umstand führte zur Neugründung der Bäckerei Montag. Derselbe war geboren 1818. Georg der Sohn des Gründers war geboren 1853. Er stand im 50. Lebensjahr als das Großfeuer von 1904 auch sein Anwesen einäscherte. Doch schöner und besser baute er es wieder auf. Im alten Hause war der Laden der Gertrudenkirche zugewandt, im Neubau kam der Laden nach der Bahnhofstraße hin. Leider ging das schöne Haus und die Bäckerei den Montag’schen Kindern verloren. Zwar hatten die Söhne das Bäckerhandwerk erlernt, aber in der Inflationszeit (um 1923) reich geworden, hatten sie kein Interesse mehr an der Bäckerei. Aber der schnell erworbene Reichtum hielt nicht stand, und als der Vater Georg Montag 1922 starb, wurde das schöne Anwesen, nachdem es mehrere Pächter gehabt hatte, verkauft. Wilhelm Hellbach erwarb es 1925 zum Preis von 17.000,00 Mark. Zu dem heutigen imposanten Gebäude wurde es, nachdem es Hellbach frisch renovieren ließ und aufstockte.
Anmerkung:
Später war darin die Gaststätte Küper. Küper ging über Westberlin nach Westdeutschland. Die Gaststätte wurde Konsum (oder HO)-Gaststätte welche noch zur DDR-Zeit geschlossen wurde.
Bäckerei Philipp Hellbach (der Jüngere geb. 1824) genannt Schnellart
Gründete seinen Betrieb im Jahr 1857 gerade 15 Jahre später, als Montags angefangen hatten. Es lag hier wohl eine gewisse Notwendigkeit vor, denn in der ganzen Lippe war keine Bäckerei vorhanden, wie es scheint. Alle Leute dieser Gegend und auch von der Mühlhäuser Straße mussten den weiten Weg zu der Montagschen Bäckerei machen. 37 Jahre lang hatte Hellbach seine Bäckerei betrieben. Als er 70 Jahre alt geworden war, gab er sie 1894 an Otto Heddergott ab, der sie 29 Jahre innehatte. Die Bäckerei brannte 1923 ab und sein Schwiegersohn Emil Hebestreit baute sie modern wieder auf.
Anmerkung:
Heute befindet sich hier die Bäckerei Florian Schwalbe, Brückenstraße 5
Bäckerei Karl Schuchardt , Sohn von Christoph geb. 1829
Die Leute in der unteren Lippe und in der Mühlhäuser Straße mussten immer einen weiten
Weg bis Schnellartschen Bäckerei machen. Das gab Karl Schuchardt den Anlass, in dieser Gegend eine Bäckerei zu gründen im Jahre 1860. So kam in dem Hause „Am Tore“ wo jetzt der Bauer Christoph Kirchberg wohnt, eine Bäckerei zustande. Ecke Mühlhäuser – Gartenstraße. Da die Kundschaft recht gering war, belegte sich Schuchardt auf Weißbäckerei (Erklärung siehe unten) und hausierte auch in der Stadt. Karl und hausierte auch in der Stadt.
Karl Schuchardt hieß mit Beinamen „dr wisse Bäcker“ wegen seines weißen Kopf- und Barthaares. Die Bäckerei hatte wechselvolle Schicksale. Nachdem sie der Gründer 19 Jahre lang also bis 1879 betrieben hatte, wurde sie zwangsweise verkauft, weil Schuchardt eine Bürgschaft übernommen hatte, die er nicht zurückerstattet bekam (so erzählte mir der Viehändler Hermann Metze). Sein Sohn Georg Schuchardt – genannt „dr wisse Jörge“, verdingte sich als Knecht bei dem Viehhändler H. Metze. Leonhard Kirchberg, ein Verwandter, betrieb als Pächter die Bäckerei 2 Jahre lang, dann ging sie ein.
Der Bauer Kirchberg, der heute noch das Haus besitzt, kaufte sie. Im Jahre 1885, 6 Jahre nach dem Verkauf des Hauses, starb Karl Schuchardt – so erzählte mir Bürstenmacher Michael Hartmann sein Nachbar.
Bäckerei Heinrich Demuth, geb. 1830
Gründete 1862 an der Riehe seine Bäckerei. Nachdem er, nur 56 Jahre alt, gestorben war,
übernahm sein Sohn Christoph, geb. 1870, schon als 16 jähriger Bursche den Backbetrieb im Jahr 1886. Es war eine schlechte Geschäftslage für eine Bäckerei. So betrieb Christoph mit den Jahren einen kleinen Handel mit Kühen, was ihn oft tagelang vom Geschäft fernhielt. Das bisschen Hausbäckerei musste indessen die Mutter und später die Frau besorgen. Mit der Zeit musste das Geschäft bei diesem Betrieb eingehen. Christoph bewirtschaftete mit einer Kuh seine paar Morgen Land und verpachtete die schlecht gehende Bäckerei an einen Pächter Bergmann, der durch Preisunterbietung sich lebensfähig erhalten wollte. Da dies nicht gelang, musste er bald wieder aufhören und die Bäckerei ging infolge der schlechten Geschäftslage ein, und zwar im Jahre 1934.
Einen besonderen Spruch, den der geschäftstüchtige Pächter in die Zeitung setzen ließ, wollen wir hier als Abschluss und als Andenken an ihn aufleuchten lassen. Er lautet:
Willst du dich mit Schmeling messen, musst du Brot von Bergmann essen.
Bäckerei Georg Rheinländer (Nachfolger Carl Strozinski, Helmut Strozinski)
Nachdem Heinrich Demuth geb.1830 als 32 jähriger im Jahre 1862 angefangen hatte, also
ungefähr 8 Jahre im Gang war, gründete Georg Rheinländer im Jahre 1870 seine Bäckerei. Sein Sohn Josef fiel 1915 im Weltkrieg und zwar als 30jähriger junger Mann. Nachdem Josephs Frau Amalie, geb Kirchberg das Geschäft 4 Jahre nach dem Tod ihres Mannes allein betrieben hatte, heiratete sie den Bäckermeister Carl Strozinski im Jahre 1919. Er verbesserte durch seine Leitung das Geschäft erheblich und baute 1954 den ersten Doppelofen in Dingelstädt. Bei dem Umbau stieß man auf das Fundament eines früheren Backofens. Helmut Strozinski, Carls Sohn, ist der zukünftige Nachfolger. Er wurde geboren am 20.01.1927.
Bäckerei Franz Jäger, Neue Straße - Nachfolger Ignaz Hucke - Hans-Karl Hucke - Theo Hucke
18 Jahre nach Gründung der Bäckerei Rheinländer, also im Jahre 1888 gründete Franz Jäger in der früheren „Kleine Gasse“ , jetzt „Neue Straße“, eine neue Bäckerei. Es standen damals nur wenige Häuser in der kleinen Gasse. Franz Jäger baute auf ein kleines leerstehendes Stück Land. Bisher hatten alle hiesigen Bäcker ihre Öfen mit Holz geheizt, was sehr kostspielig und zeitraubend war. Auch die Platzfrage scheint wohl die Ursache gewesen sein, dass er einen Kohleofen gebaut hat. Zudem hatte er als Geselle an einem solchen Ofen gearbeitet und konnte deshalb getrost einen solchen Ofen bauen. Alle Leute, besonders aber die Konkurrenz besagten ihm ein baldiges Ende und den Bankrott voraus, weil das Brot und das Gebäck nach Kohlen schmecken würden. Doch dieses traf nicht ein. Franz Jäger, mein Schwiegervater, war ein gelernter Honigkuchenbäcker und erwarb aus dieser Tätigkeit in einer damals günstigen Zeit Reichtum und Vermögen. Als ortschrittlicher Meister hatte er schon im Jahre 1900 Kraftbetrieb, zunächst für die Honigkuchenbäckerei und später auch für Brot. Die Söhne von Franz Jäger haben alle studiert bis auf Eduard, der Bäcker lernte und die Bäckerei weiterführen sollte. 1914 wurde er zum Militär
eingezogen und ist ein Jahr später in Frankreich als vermisst gemeldet worden. Er kehrte aus dem Krieg nicht zurück.
Bäckermeister Ignaz Hucke, Sohn des Bäckermeister Karl Hucke vom Anger, heiratete die Tochter von Franz Jäger und führte die Bäckerei Franz Jäger zusammen mit seinem Schwiegervater weiter. 1929 starb Franz Jäger und Ignaz Hucke führte die Bäckerei allein weiter. Der Sohn von Ignaz Hucke, Bäckermeister Johannes Karl (Hans-Karl) führte die Bäckerei nach Ignaz Hucke weiter. Er baute den Kohleofen um und errichtete einen Dampfbackofen
Anmerkung:
Schon bald übernahmen der Sohn von Hans-Karl Hucke, der Bäckermeister Theo Hucke (später auch Matthias) die Bäckerei. Deren Bruder Bäckermeister Gerold Hucke hatte eine Bäckerei in Kefferhausen. Nach der Übersiedelung von Theo Hucke in die BRD führte Matthias Hucke (später mit Gerold Hucke) die Bäckerei weiter. Durch geschäftliches Fehlverhalten ging die Bäckerei 1995 in Insolvenz. Das Haus in der Neuen Straße wurde 2010 verkauft.
Eine Tochter von Ignaz Hucke, Lioba Hucke, heiratete den Bäckermeister Ehrhard Bachmann in Küllstedt. Dessen Enkel Marko Bachmann führt in Dingelstädt eine Filiale seiner Küllstedter Bäckerei.
Bäckerei Marko Bachmann Küllstedt
Niederlassung Dingelstädt
Anger 5 (ehemals Fleischerei und Gaststätte Franz Kirchberg)
Bäckerei Philipp Ifland (der Jüngere)
Geboren 1841, Geschäftsgründung 1891 in der Lippe (in Schadens Haus) Er hatte zwei Söhne, die das Bäckerhandwerk in Heiligenstadt erlernten: Johannes geb. 1874 und Angelus geb. 1877 Angelus kaufte das Gasthaus „Zur freien Aussicht“ in der Birkunger Straße. Nachdem im Jahr 1891 die von Philipp Ifland gebaute Bäckerei abgebrannt war, wurde sie im Jahr darauf wieder aufgebaut. 13 Jahre wurde die Bäckerei des Vaters von den zwei Söhnen gehalten. Infolge der schlechten Geschäftslage musste, um das Geschäft lebensfähig zu erhalten, fleißig hausiert werden, hauptsächlich mit weißen Waren. Die Tochter Philipp Iflands, geboren 1873, war beständig mit der Kiepe unterwegs, von morgens bis nachmittags. Sie heiratete Gunkel am Schlage und wurde hochbetagt.
Im Jahre 1905 verkauften die Gebrüder Ifland die Bäckerei, die an schlechter Geschäftslage krankte, an Pfitzenreuter aus Niederorschel. Dieser gab sie ab an Markus Schade, geb. 23.11.1879. Markus starb am 27.03.1945 im 66. Lebensjahr. Nachdem Wilhelm, der Sohn von Markus nach dem Westen gegangen war, verpachtete die Mutter das Geschäft an den Konsum.
Zeitungsmeldung
Dingelstädt, den 06. Dezember 1930 – Familiennachrichten vom Eichsfelde –
50 Jahre Bäckerei Franz Jäger
Am kommenden Montag (Maria Empfängnis) kann die Bäckerei und Konditorei Jäger, Neue Straße, auf ihr 50jähriges Bestehen zurückblicken. Das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ ist hier wieder einmal so recht wahr geworden. Freilich, für die neue Zeit kann man es nicht mehr als unumschränkte Wahrheit ansprechen. Aber für die Existenz des lieben alten „Bäckerfranz“, für seinen Handwerksbetrieb, dessen Entstehung und Entwicklung wir einige Zeilen widmen wollen, ist es noch in Erfüllung gegangen. Unter bescheidenen Verhältnissen errichtete der damals schaffensfreudige Geselle im Jahre 1880 eine Bäckerei und hatte bald einen ansehnlichen Kundenkreis gefunden. Um seine in der Lehrlings- und Gesellenzeit erworbenen Kenntnisse ganz auszuwerten, betrieb er alsbald eine Honigkuchenfabrikation, die noch heute der Bäckerei angegliedert ist und einen sehr guten Ruf genießt. Damals belieferte er immer an den Wallfahrtstagen den Hülfensberg mit dem süßen Backwerk. Der alte „Bäckerfranz“ ist nicht mehr, sein Geist aber lebt fort. In seinem Schwiegersohn Bäckermeister Ignaz Hucke hat er einen rührigen strebsamen Nachfolger gefunden. Der älteste Sohn hatte das Konditorhandwerk erlernt, starb aber in den schönsten Jünglingsjahren. Drei weitere Söhne ergriffen die Akademikerlaufbahn, gestützt auf den von Erfolg gekrönten Fleiß des Vaters; zwei sind Studienräte, einer Mediziner.
Der jüngste Sohn wendete sich dem Geschäft des Vaters zu, er genoss, noch unterstützt durch den Besuch der Konditorschule, den besten fachmännischen Ruf. Der große Weltkrieg forderte ihn auf feindlichem Boden zum Opfer. Nach diesen Tagen siechte der Vater dahin und fand im Schwiegersohn, wie oben erwähnt, einen tüchtigen Nachfolger. Unsere besten Glückwünsche dem beliebten Handwerksmeister Hucke
.
Zeitungsinserat von 1930:
Konditorei Jäger 1880 - 1930
Inhaber: Ignaz Hucke
Seit 50 Jahren
Honigkuchen-Fabrikation
Beste Bezugsquelle für Wiederverkäufer
.
Anmerkung zu Weißbäcker:
Unterscheidung Bäcker – Konditor: Die Bezeichnung Bäcker wird umgangssprachlich
manchmal auch für den Beruf des Konditors (Zuckerbäcker) verwendet. Konditoren sind aber spezialisiert auf süße Waren und stellen keine Brotwaren her. In Deutschland und Österreich handelt es sich auch um separate Berufe, für die verschiedene Gesellenprüfungen gemacht werden müssen.
Viele Bäckereien produzieren auch Produkte, die zum Handwerk des Konditors gehören. Bäcker, die in solchen Bäckereien gelernt oder gearbeitet haben, werden als „Bäcker mit Konditoreierfahrung“ bezeichnet. Wer sich allerdings als „Bäcker und Konditor“ bezeichnet, musste schon die Gesellenprüfung sowohl als Bäcker und auch als Konditor abgelegt haben. Das Handwerk des Bäckers teilte sich früher noch ein in: Zuckerbäcker (Konditor) Pfefferkuchenbäcker (Lebkuchen) Los- oder Weißbäcker (Weißbrot aus Weizen, Weizenbrot, Brötchen etc.) Fast- oder Schwarzbäcker (Roggenbrot, Roggen, Weizen-Mischbrot)
Ein Weißbäcker brauchte keinen Sauerteig herstellen sondern arbeitete mit einem einfachen
Hefeteig Für dunkles Brot (deshalb Schwarzbäcker) mit Roggen (auch als Mischbrot) musste täglich neu ein Sauerteig angesetzt werden.
Diese Unterscheidung der Bäcker wurde als erstes in Preußen 1752 aufgehoben, da sie zu ständigen Reibereien, auch zum Nachteil der Kundschaft führte. Der Bäckerberuf gehörte zu den freien, geschenkten und ungeschlossenen Handwerken. Die Befugnis eines Meisters, zu backen, hieß die (Back-) Gerechtigkeit oder auch die Bank. Der Verkauf der Backwaren erfolgte traditionell in den Läden der Bäckermeister, die als Familienbetrieb geführt wurden. Diese Bäckereien bezogen das Mehl von den örtlichen Müllern.
In derselben Rubrik, Nachrichten aus Dingelstädt; 06. Dezember 1930 war noch zu lesen:
Notgemeinschaft:
Am Sonntagnachmittag tritt die zur Durchführung der Notstandsaktion für die Hilfsbedürftigen unserer Stadt gebildete Kommission zusammen, um über weitere Maßnahmen zu beraten. Insbesondere wird sie die Stadt in verschiedene Sammelgebiete einzuteilen und Sammler und Sammlerinnen als Mitarbeiter bei dem Hilfswerk zu bestellen haben. Die Mitarbeiter, die sich aus Angehörigen hiesiger Vereine und Gewerkschaften zusammensetzen, werden sicher gern zu einem erfolgreichen Gelingen dieser Wohltätigkeitsaktion beitragen und ein freundliches Entgegenkommen der um eine Gabe angesprochenen Bürgerschaft wird die für den notleidenden Nächsten ausgeübte
freie Liebestätigkeit erleichtern.
Bäckerhandwerk Heute
Mit der heutigen Industrialisierung entstanden vermehrt Großbäckereien, die neben frischen
Backwaren auch Tiefkühlteiglinge in sogenannten Backstraßen produzierten. Die örtlichen Bäckereien übernahmen vermehrt, anfänglich als Sortimentserweiterung gedacht, nur noch das Aufbacken dieser Teiglinge und den Verkauf dieser Backwaren, neben Produkten aus eigener Herstellung. Gleichzeitig wurden diese Backwaren als auch Fertigprodukte vermehrt in Supermärkten und Tankstellen angeboten. Aufgrund des zunehmenden Preisdrucks, bedingt durch eine große Konkurrenz, mussten in den letzten 20 Jahren viele traditionelle Bäcker ihren Betrieb aufgeben oder wurden von Filialketten übernommen. In den Vorstädten, den Bahnhöfen und großen Einkaufszentren haben sich in jüngster
Vergangenheit Discounter durchgesetzt, die die Tiefkühlteiglinge im Verkaufsraum aufbacken.
Sauerteig ade
(„Thüringer Allgemeine“ vom 31.03.2001 von Dietmar Grosser)
Brot und Brötchen in Bäckereien nicht ohne Chemie
Die 450 Thüringer Bäcker haben ein Problem: Ihre Brötchen kosten im Schnitt 20 Pfennig weniger als in Hessen oder Bayern. Und das bei gleichem Aufwand. Um dem wirtschaftlichem Druck standzuhalten, verabschieden sich viele Meister Schritt um Schritt vom traditionellen Handwerk.
Öko-Hefe und Sauerteig wie früher sind zunehmend passe. Stattdessen zieht Chemie in die Backstuben.
„Man setzt gutes Mehl am Tage vor dem Backen in der warmen Stube nah am Ofen, teilt es in der Mitte, nimmt zu 28 Liter Roggenmehl, für 15 Pfennig Sauerteig und drei Liter warmes Wasser.“
So empfiehlt „Allesfeins Koch- und Backbuch“ von 1911 den Brotteig vorzubereiten.
Was sich vor hundert Jahren wie ein Reinheitsgebot für das deutsche Bäckerhandwerk
las, das könnte heutzutage etwa so formuliert werden: Man nehme möglichst preiswertes Mehl, das durch chemische Zusätze sofort verarbeitet werden kann – und nicht wie ehedem eine Woche lang zum Reifen gelagert werden muss. Dann greife der Bäcker zum 25-Kilo-Sack vom Chemie-Lieferanten, um Backmittel mit Enzymen, Emulgatoren, Stabilisatoren und Säureregulatoren beizumengen. Deren Dosierung: Bis 5 % je Kilo Mehl. Auf diese Weise erhält man Brot und Brötchen jeglicher Größe, Färbung und Geschmacksrichtung.
Die exakte Liste der Backmittel-Inhaltsstoffe liest sich dann allerdings wie eine Anleitung im
chemischen Experimentierkasten: Diphosphat E 450, Calciumphosphat E 341, Di- und
Monoglizerid von Speisefettsäuren E 472 e und anderes. Bei jedem E als Bestandteil von Lebensmitteln heben Verfechter der ökologischen Ernährung warnend den Finger. Der Thüringer Förderverein für ökologischen Landbau „Ökoherz“ geht ohnehin
davon aus, dass längst genetisch veränderte Hefekulturen im täglichen Brot zu finden sind. Es gab vor einigen Jahren gar Gerüchte, wonach Harnstoff – chemisch verarbeitet - in den
Backstoffen wiederzufinden sei. Was am Ende aus dem heißen Backofenschlund kommt, hat so mit dem althergebrachten Knusprigen gerade mal noch den Namen gemein.
Ob Sesam, Vollkorn oder Mohn: Die Brötchen sind riesengroß aufgeblasen, glänzen in unnatürlichen Farben, beim ersten Kontakt mit dem Messer splittern unzählige Krümel, am nächsten Tag ist das luftige Etwas ungenießbar. Nur für kurze Zeit gemacht. Haltbarkeit maximal vier Stunden. Ein Aufbacken wie früher – unmöglich. Solche Brötchen erkennt der Fachmann an der aalglatten Oberfläche und „viel Luft im Inneren“. Die richtigen haben eine „poröse schöne Krume und knusprige Kruste“.
Für den altgedienten Erfurter Bäckermeister, der aus naheliegenden Gründen seinen Namen nicht genannt haben möchte, hat das wenig mit jenem Handwerk zu tun, das er einst gelernt hat. Verärgert äußert er sich über die heutigen Praktiken der Zunft: „Die natürlichen Zutaten wie Sauerteig, Hefe und Malz werden immer mehr aus den Backstuben gedrängt“. Kein Wunder, dass Kinder Allergien bekämen.
„Über so manchem Brötchenkorb müsste eigentlich ein Schild hängen mit der Aufschrift „Apotheke“. Ein Erfurter Bäckermeister
Wirtschaftlichkeit gebe den Takt in den Backstuben an. Ins frische Brot würden oft auch alte Reste vom Tag zuvor gemischt. Um die Form des Laibes zu halten, mengt man eben Stabilisierungsmittel bei. Bei den Brötchen sei es üblich, den Teig „im Stück“ vorzubereiten und anschließend einzufrieren. Mit einem computergesteuerten Gerät – ein sogenannter Gärunterbrecher (ab einer halben Million Mark zu haben) – wird dann je nach Bedarf aufgetaut und gebacken. Der Haken: Es läuft nur mit modernen Backmitteln, also viel Chemie. Nichts Verbotenes, alles erlaubt, streng überwacht.
Erst bei den letzten Thüringer Lebensmittelkontrollen – zweimal im Jahr- ohne Vorankündigung – wurde bestätigt: „Alles in Ordnung.“ Und nur die wenigsten stört das Kleingedruckte auf einer Werbung für die Backmischungen: „Die Pulver stauben beim Abwiegen, was beim Einatmen zu allergischen Reaktionen führen kann….“ Die Bäcker heben die Schultern. Aus ihrer Sicht ist alles rechtens. Das Rad der Backgeschichte sei nun mal nicht zurückzudrehen. Die Kunden wollten es doch so. Früh, wenn der Laden öffnet, sollen in der Auslage knusprig-frische Brötchen und angenehm duftendes Brot liegen. Das Ganze in Dutzend Varianten – mit oder ohne Körner. Größtmögliche Vielfalt ist gefragt, da können von jeder Sorte nur eine bestimmte Menge gebacken werden. Und das ginge nun mal nicht ohne den gezielten Griff in den Sack mit den Fertigmischungen.
Landesobermeister Gerd Bauer verteidigt seine Zunft: „Die Liste der Backmittel und Zutaten kann in jedem Laden eingesehen werden.
Er jedenfalls brauche sich für seine Brötchen nicht zu schämen, meint Obermeister Bauer und holt eines hervor. Außen knusprig, innen köstlich. „Am Sonnabend gekauft, kann es am Montag noch aufgebacken werden“, versichert er, noch nach traditioneller Methode zu backen. Was heißen soll, ohne Gärunterbrecher. Damals, nach der Wende, so erinnert er sich, habe er sich beim Anblick der ersten Westbrötchen allerdings schon gefragt, was er wohl bis dahin falsch gemacht habe. Für Frank Augsten, Chef des Thüringer Vereins „Ökoherz“ gibt es dazu nur eine Alternative: Weg von den Fertigmischungen hin zum Öko-Bäcker. Das sei natürlich teurer, räumt er ein. Inzwischen gibt es vor einigen Bäckereien wieder Schlangen: Dort, wo nach altem Rezept „Ost-Brötchen“ zu haben sind.
Tausende feierten Bäckereifest am 02. und 03. 06. 2012 in Leinefelde
Tausende kamen aus ganz Thüringen zum Backfest
Volksfeststimmung herrschte am Wochenende in der Leinestadt. Viele tausend Menschen waren der Einladung gefolgt und feierten mit der Bäckerei Helbing deren 100. Geburtstag. Die Gäste kamen von überall her. Neben den Eichsfeldern und ihren Nachbarn aus dem Unstrut-Hainich-Kreis und Nordhausen waren unter anderem Berliner, Weimarer, Osteröder und Göttinger angereist. Lange Schlangen bildeten sich vor allem vor der Backstube, denn am Sonntag gab es die Chance, den Bäckern einmal über die Schulter zu schauen.
Sichtlich gerührt betrachtete Seniorchef Günter Helbing das Treiben und erklärte nicht ohne Stolz, wie sich in dem Betrieb, der rund 550 Mitarbeiter hat und neben dem Hauptsitz in Leinefelde, wo gebacken wird, rund 90 Filialen in Thüringen, Hessen und Niedersachsen betreibt, Tradition und Moderne verbunden werden. In der Backstube erlebten die Gäste dann das Backen von Kuchen und Brot mit. Und der herrliche Duft, der sich ausbreitete, sorgte dafür, dass es sich danach viele an der großen Frühstückstafel und den vielen Ständen schmecken ließen.
Einen Blick hinter die Kulissen warfen auch Hans Georg Hucke (gelernter Bäcker und Konditor) und
Heinrich Hucke, welche beide in der Bäckerei ihres Vaters in Dingelstädt aufgewachsen sind.
"Das ist unser Dankeschön an die Kunden. Wir wollen zeigen, wie die Produktion funktioniert und dass wir keine Geheimnisse haben", erklärte Helbing, der von den 100 Jahren, seit es den Betrieb gibt, selbst 47 und Ehefrau Erika 42 Jahre im Geschäft ist. Seine Berufswahl habe er nie bereut, erzählte der Eichsfelder, der sich nicht nur über die erfolgreichen Jahre, sondern auch über den Familienzusammenhalt freut. Denn die Söhne Tobias und Florian erlernten das Handwerk nicht nur, sie sind auch ebenso im Unternehmen tätig wie die Schwiegertochter. "Heute ist ein riesengroßer Tag für uns", meint Helbing und lässt nicht unerwähnt, dass die Übergabe in junge Hände seit langem vorbereitet wird.
Schlemmen und laufen beim Backfest
Doch gestern stand wie am Samstag bei der Yesterhit-Party das Feiern im Mittelpunkt - mit
Markt und Kinderprogramm, mit Fernsehmoderator Stephan Kulle, Adi von "Machs mit, machs nach", dem Fitnesslauf, Folkloreensemblen, vielen Musikern und Ute Freundenberg. Eingebunden war das Jubiläum ins 18. Stadtfest. Besonders die Kinder kamen da am Samstag auf ihre Kosten - bei Spiel, Spaß oder Bühnendarbietungen. Zudem traten Mitglieder aus dem polnischen Chelmek auf. Ortsteilbürgermeister Siegfried Klapprott war ganz angetan vom fröhlichen Treiben rund um den Bonifatiusplatz. Für Stimmung sorgten nicht zuletzt die "Waschludter Johann's Kapelle" aus der Nähe der ungarischen Stadt Pápa, die Kallmeröder Blaskapelle und die Guggel-Musikanten.
Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute
Tilman Riemenschneider
Leben
Tilman Riemenschneider wurde zwischen 1459 und 1462 in Heiligenstadt im Eichsfeld geboren. Als Tilman etwa fünf Jahre alt war, musste sein Vater wegen früherer Verwicklungen in die Mainzer Stiftsfehde Heiligenstadt verlassen und verlor außerdem seinen Besitz. Die Familie zog nach Osterode um, wo sich der Vater als Münzmeister niederließ und Tilman seine Kinder- und Jugendjahre verbrachte. Um 1473 lernte Tilman Riemenschneider das Bildhauer- und Bildschnitzerhandwerk. Heute geht man davon aus, dass Riemenschneider sein Handwerk in Straßburg und Ulm erlernte. Wegen schlechter Quellenlage weiß man aber von diesem Lebensabschnitt Riemenschneiders nahezu nichts. Tilman Riemenschneider kam aber in dieser Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit mit der Kunst Martin Schongauers in Berührung, dessen Kupferstiche ihm später auch als Vorlagen dienten. 1483 gelangte er schließlich in seine Wahlheimat, die fürstbischöfliche Residenzstadt Würzburg, wo er am 7. Dezember 1483 als Malerknecht in die
Sankt-Lucas-Gilde der Maler, Bildhauer und Glaser aufgenommen wurde. Nachdem er am 28. Februar 1485 Anna Schmidt, die Witwe eines Goldschmiedemeisters geheiratet hatte, endete sein Gesellendasein, und er kam zu Meisterehren. Dieser Weg des gesellschaftlichen Aufstiegs war im Spätmittelalter durchaus üblich. Die starre Gildeordnung ließ Ortsfremden oft gar keine andere Möglichkeit, in die Reihen der einheimischen Handwerksmeister aufgenommen zu werden. Außer Status und Vermögen brachte Tilman Riemenschneiders erste Frau drei Söhne in die Ehe mit. Sie verstarb nach fast zehn Ehejahren und hinterließ ihm eine gemeinsame Tochter. 1497 heiratete Tilman Riemenschneider zum zweiten Mal. Auch die zweite Frau, Anna Rappolt, mit der er eine weitere Tochter und drei Söhne hatte, verstarb im neunten Ehejahr. Ein Jahr nach dem
Tod seiner zweiten Frau heiratete Tilman Riemenschneider 1507 zum dritten Mal, nämlich
Margarete Wurzbach, und nachdem auch diese verstorben war, ein letztes Mal um 1520. Von seiner letzten Frau, die ihn schließlich auch überlebte, ist jedoch nur der Vorname, Margarete, bekannt.
Während die Ehefrauen nacheinander den großen Meisterhaushalt führten, betrieb Tilman
Riemenschneider sein Gewerbe mit viel Geschäftssinn und Kunstfertigkeit. Um 1500 hatte
er als Künstler einen hervorragenden Ruf und war zum wohlhabenden Bürger geworden. Er besaß in Würzburg mehrere Häuser, reichlich Grundbesitz mit eigenen Weinbergen und eine florierende Werkstatt, in der er viele, teils auch sehr begabte Gesellen beschäftigte. Im November 1504 wurde Tilman Riemenschneider schließlich in den Rat der Stadt Würzburg berufen, dem er danach über 20 Jahre angehörte. Durch die öffentlichen Ämter und Privilegien als Ratsherr mehrte er nicht nur sein gesellschaftliches Ansehen, sondern erlangte auch viele große, lukrative Aufträge. Von 1520 bis 1524 übernahm er sogar das Amt des Bürgermeisters. Zu dieser Zeit wehte schon der Geist der Reformation durchs Land und nahm auch viele Würzburger Bürger für sich ein. Der Rat der Stadt führte seit längerem politische Auseinandersetzungen mit dem mächtigen Fürstbischof, der als Landesherr in der Festung Marienberg direkt oberhalb der Stadt residierte. Der Streit eskalierte 1525 während des Bauernkriegs, als sich aufständische Bauern vor der Stadt sammelten und die Würzburger Bürger sich mit ihnen gegen den Bischof verbündeten. Die Festung Marienberg hielt jedoch der Belagerung und den Angriffen aus der Stadt stand. Der Bischof drohte sogar der Stadt mit Zerstörung, was die Bürger in ihrem Kampfeswillen demoralisierte. Zur entscheidenden Schlacht kam es am 4. Juni 1525 außerhalb der Stadt, wo die anrückenden Landsknechte des Georg Truchsess von Waldburg-Zeil das Bauernheer vernichteten. Da die Bauern am Vortag von ihrem militärischen Führer Götz von Berlichingen verlassen worden waren, mussten sie führerlos in den Kampf und hatten keine Chance. Innerhalb von zwei Stunden wurden 8.000 Bauern getötet. Als die gut ausgerüsteten und kampferprobten Truppen des Bischofs zum Angriff auf die Stadt übergingen, endete auch der Aufstand der Bürger in ihrer totalen Niederlage und Unterwerfung.
Die Anführer des Aufstands – unter ihnen alle Ratsherren – wurden in den Verliesen der Festung Marienberg eingekerkert, gefoltert und zum Teil grausam bestraft. Auch Tilman Riemenschneider war zwei Monate in Kerkerhaft und unterlag der Folter. Lange hielt sich die Legende, dass dem Künstler, der sich in die Politik verstrickt hatte, im Kerker die Hände gebrochen wurden und er danach nie mehr arbeiten konnte. Aber dafür gibt es keine Beweise. Zusammen mit den anderen Ratsherren kam er schließlich wieder frei und wurde mit der Einziehung großer Teile seines Vermögens bestraft. Die nachtragende Obrigkeit sorgte außerdem dafür, dass Tilman Riemenschneider bald in Vergessenheit geriet. Nach seiner Freilassung erhielt er nie mehr einen größeren Auftrag. Bis zu seinem Tod 1531 führte er mit seiner vierten Ehefrau in Würzburg ein zurückgezogenes Leben. Als Nachfolger Tilmans übernahm sein auch als Jörg bekannter Sohn Georg Riemenschneider aus zweiter Ehe die Werkstatt. Erst im 19. Jahrhundert wurde Tilman Riemenschneider anhand seiner Kunstwerke wiederentdeckt. Selbst Riemenschneiders Grabstein, den sein Sohn Jörg angefertigt haben soll, war verschollen und wurde erst 1822 wiedergefunden. Er ist heute in der Nähe des Fundorts an der Außenmauer des St. Kilian Doms gegenüber dem Eingang zum Dom-Museum befestigt. Eine Kopie befindet sich im Mainfränkischen Museum auf der Festung Marienberg.
Stil
Die von Riemenschneider geschaffenen Holz- und Steinskulpturen zeichnen sich durch
ausdrucksstarke Gesichter (oft mit einem „nach innen gekehrten Blick“) und durch detaillierte Gewandungen mit reichem Faltenwurf aus. Einige seiner Werke waren nie farbig gefasst und nach einer verbreiteten Ansicht von vornherein auf Holzsichtigkeit hin angelegt; er ist der erste bedeutende Bildhauer, bei dem dies der Fall ist. Die Farbfassungen an anderen seiner Werke stammen teilweise von seinem Zeitgenossen Jakob Mülholzer, der von 1490/91 bis 1514/15 nachgewiesen ist und in jener Zeit mit Riemenschneider auch in engem Kontakt stand. Nachfolger bzw. Schüler Riemenschneiders waren Peter Breuer, Peter Dell, Hans Fries v. Mergentheim, Hans Gottwalt, Philipp Koch sowie viele, die sich namentlich nicht mehr fassen lassen.
Oben: Familienwappen in Stein gehauen
Unten: Familienwappen als Bild