Inhalt von Nr. 09:

 

1. Beratende Analyse für Ignaz Hucke für einen Berufswechsel

2. Dichtkunst und Anekdoten von Ignaz Hucke

3. Das Schwarze Kreuz bei Dingelstädt

4. Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute. Vorgestellt: Ludwig Schunk, Apotheker Dingelstädt

5. Eichsfeld – „Hungerfeld“ genannt

6. Die „öffentliche Stimmung“ war nicht zu loben (1848)

7. Die Sonnenuhr in Dingelstädt am Wohnhaus Mühlwehr Nr. 4

8. 1828 wird eine wohltätige Erfindung angepriesen

9. Letzte Hinrichtung im Eichsfeld 1836

 

 

 

Bäcker Ignaz Hucke wollte als Bäckergeselle seinen Beruf wechseln und sich verbessern,

wurde dann aber doch Bäckermeister

 

 

Dr. O. Kretschmann

Psychologe und Graphologe

Handschriften-Deutungen

Charakterologische und psychologische

Begabungs-und Leistungsuntersuchungen

Gera, Schloßstraße 8

 

Beratende Analyse f

 

In Ihrer inneren Veranlagung ist das Streben zu erkennen, bei an sich Durchschnittlicher

Allgemeinbegabung, sich durch geistige Interessen zu bilden und so etwas zu erreichen.

Sie besitzen Sachlichkeit, viel Strebsamkeit und einen empfindlichen Ehrgeiz. Gleichzeitig ist aber Ihre gemüthafte Aufgeschlossenheit für Geistiges begrenzt; es sind Hemmungen vorhanden.

Trotzdem brauchen Sie Selbständigkeit, mögen sich auch nicht gern unterordnen. Die Ausbildung von mehr Gewandtheit und Beweglichkeit, geistig wie im Umgang, wird noch leicht durch Härten behindert, über die ich Ihnen schon geschrieben habe, und die sich auch äußerlich auswirken.

Ihre Wunschvorstellungen und Ihr Suchen stehen leicht in Spannungen zu Ihrem nüchtern-realen Sinn der aber nun doch ein ziemliches Gewicht in Ihren Anlagen hat.

Aus diesem Spannungsverhältnis ist es wohl mehr noch als aus Ihrer körperlichen Behinderung zu erklären, dass Sie lieber andere Wege ins Leben suchen wollen als Möglichkeiten, wie Sie sich trotz Behinderung in dem gelernten Berufe behaupten zu können.

Das ist aus verschiedenen Gründen bedauerlich. Der Masseurberuf stellt gerade körperlich

erhebliche Anforderungen, kommt also nicht in Frage. Wenn Sie sich aber als Pianist durchsetzen wollen oder etwa als Musikpädagoge, müssen Sie soviel leisten, dass ich – zumal, wenn Sie erst seit einem Jahr begonnen haben – sehr daran zweifeln muss, ob dass je zu erreichen sein wird. (Die unmittelbare Musikalität ist aus der Handschrift nicht zu ersehen). Kleine Erfolge und Fortschritte dürfen aber über die tatsächlichen Schwierigkeiten nicht hinwegtäuschen; (es dürfte sich empfehlen, wenn Sie darüber einmal mit einem musikalischen Fachberater, dem Leiter einer Musikschule oder einer anderen neutralen Person sich aussprechen würden).

Sie sollten sich aber ernst überlegen, ob Sie nicht mit entsprechenden Hilfskräften für die schweren Arbeiten doch ihren väterlichen Betrieb übernehmen können und etwa die kaufmännische etc. Seite vor allem als Ihr spezielles Gebiet ansehen wollen.

Außerdem wird man wohl damit rechnen dürfen, dass irgendwann in der Zukunft auch der immerhin doch leichtere und das Künstlerische doch mehr streifende Konditorberuf wieder zu Ehren und Bedeutung kommt. Der Besitzer einer größeren Bäckerei und Konditorei bzw. eines Kaffees wird in den seltensten Fällen selber am Ofen stehen etc.! Er hat organisatorische und geschäftliche Aufgaben genug. Es genügt, dass er von den praktischen Arbeiten soviel versteht, dass er maßgeblich sein und dass ihm niemand etwas vormachen kann. Hier liegen Aufgaben, die Erfahrung und viel geistige Umsicht und Kraft erfordern. Auf einer solchen realen Grundlage haben Sie gewiss mehr Sicherheit und auch Unabhängigkeit als im Masseur- oder Musikerberuf.

Vielleicht wirken aber auch Differenzen mit dem Elternhaus in Ihre Entschlüsse, die dann auf Ihre bzw. auf Familieneigenschaften zurückgehen mögen und wohl drücken können, aber nicht ausschlaggebend sein dürfen! Wenn nun tatsächlich aus unabweisbaren Gründen doch ein Berufswechsel unumgänglich wäre, dann könnte man Ihnen schon noch eher zu pädagogischen Berufen raten. Das wird auch nicht so ganz leicht sein, liegt aber Ihren Anlagen doch nicht so fern und vor allem könnten Sie u.U. (Gewerbelehrer!) sogar an Ihrer bisherigen Berufsausbildung anknüpfen. (Sie müssten sich allerdings über Genaueres etwa beim Leiter Ihrer Berufsschule und in der Berufsberatungsstelle des Arbeitsamtes unterrichten). Vor allem aber brechen Sie nichts übers Knie und geben Sie Rechte und Wege die Ihnen noch offen stehen, nicht vorzeitig auf. (Ich stehe Ihnen gern zur Klärung weiterer Fragen zur Verfügung, indem ich vorstehendes als Anregung zur Selbstprüfung ansehe).

 

Stempel, Unterschrift

Dr. O. Kretschmann

Psychologe und Graphologe 

 

Anmerkung von Heinrich Hucke:

In dieser Abschrift der "Beratenden Analyse" gibt es keine namentliche Anrede und auch leider kein Datum. Vermutlich wollte Ignaz Hucke nach Beendigung seiner Lehrzeit (ca. 1907) noch seinen Beruf wechseln. Möglicherweise gab es dazu auch ein separates Anschreiben. 

Das Schreiben stammt aus dem Nachlass von Bäckermeister Ignaz Hucke. Bei meinem Taufpaten Ignaz Hucke kann ich mich erinnern, dass er einen etwas schleppenden Gang hatte. Vielleicht war damit die körperliche Behinderung gemeint. Von seiner Tochter Hiltrud kam die Information, dass ihr Vater Ignaz in seiner Jugend einen schweren Unfall hatte und seitdem extrem religiös wurde.

 

Die Brüder Ignaz Josef, Johann Wilhelm und Josef Hucke waren alle sehr musikalisch.

 

Sie spielten alle drei Klavier, auch vierhändig. Johann Wilhelm spielte noch Harmonium und Schifferklavier. Josef konnte keine Noten lesen, aber alles was er vorher schon einmal gehört hatte, konnte er fehlerfrei nachspielen. Josef spielte auch noch sehr gut Gitarre. Geistig war er dagegen eher träge. Einen pädagogischen Beruf hätte er nie ausüben können. Mein Vater Johann Wilhelm war vor seinem Einzug zum 1. Weltkrieg Seminarist am Lehrerbildungsinstitut in Halberstadt. Für einigeZeit (in DDR-Zeit) war er neben dem Beruf des Bäckers, auch Berufsschullehrer für das Bäckerhandwerk an der Berufsschule in Leinefelde. Er war viele Jahre Bäckerobermeister für den Kreis Worbis und Vorsitzender der Prüfungskommission für die praktische und theoretische Gesellenprüfung im Bäckerhandwerk.

 

Wingerode den 24. 07. 2009

 

 

Dichtung und Anekdoten des Bäckermeister Ignaz Hucke

(*20.111889 + 29.01.1964)

 

Die Huckens sind unter die Poeten gegangen.

Wie haben sie das nur angefangen?

Je nun, das Brot bäckt ja allein,

derweil wollten sie nicht müßig sein.

Drum haben sie manch stille Nacht

Brot gebacken und nebenbei Gedichte gemacht.

Sie sangen von Martchens Uferland,

das den Dingelstädter Bauern

gar sehr ist bekannt,

vom Heringsteich zu Wilbich, der gar schnell über Nacht,

das kleine schmucke Dörfchen so reich hat gemacht.

Wollt früher ein Bursche eine Reiche freien,

so musste es ein Mädchen aus Wilbich wohl sein.

Sogar über Bismarck wussten sie zu berichten.

Das waren ganz tolle, miserable Geschichten.

Zwar ist Bismarck heute gar nicht mehr modern,

wir wollten ja mit Frankreich ein Brudervolk werden.

Es galt zwar Bismarck als Reichsbegründer,

doch Huckens hielten ihn als einen recht großen Sünder,

der zutiefst in der Hölle sollt brennen und braten,

wie es auch wünschten die roten Sozialdemokraten

 

 

Zella

Zella, freundlich stilles Dörfchen

halb versteckt im Wiesengrunde!

Deiner Eigenarten wegen

bist Du fast in aller Munde

Jeder weiß es, jeder sagt es,

dass es in dem Dorfe Zelle

niemals vorgekommen sein und werde,

dass vor Tag es würde helle.

Und gerät bei einer Sache

irgendetwas mal ins Stocken,

spricht man: „Laßt’s in Gang erst kommen

wie die lieben Zellschen Glocken!“

Sprichwort – Wahrwort. Auch bei diesen

wird man dies, nichts anderes finden,

und es muss ein jeder Zweifel,

der hierüber herrscht verschwinden.

 

Auf der Wanderschaft

Ein Viertel Jahr war ich in Brühl

Da ging es mir gar öfter schwül.

Mein Meister war ein Isegrimm

Und war mit mir gar streng und schlimm.

Doch hielt ich aus und freu mich jetzt,

dass ich es habe durchgesetzt.

 

Anekdoten:

Bäckermeister Heinrich Hucke, der Vater von Bäckermeister Karl Hucke, war mit Vetter Martin in

der Stube. Sie sprachen übers Wetter. Sohn Karl stand vor dem Spiegel, der an der Wand hing,

sorgfältig kämmte er sich einen Scheitel. Da sagte Martin: „Rieks, - häst’n Narren im Huse!“

 

 

Hufschmiede – unsere Vorfahren

Die Hufschmiede wirkten auch als Heilkundige

(Quacksalber, wie auch Barbiere oder Bader)

 

Ein Gehilfe des Hufschmieds hatte eine Brandwunde an der Hand.

„Ich halfe Dich“ - saite der Schmied. Er ging mit seinem Gehilfen zum Bach. Dort sagte

er den Spruch: Der Hampel und der Drache, die ging’n zusammen zum Bache der Hampel trank –der Drache sank.“

Bei – sank – wurde die verletzte Hand ins Wasser des Baches getaucht. Beim Herausnehmen sagte

der Schmied  „Brand – steh wie tote Manns Hand!“

Der Verletzte sagte nach einer Weile: „Es hilft mich  ja nit!“

Der Schmied sagte: „Du glaubst nicht dran!“

 

Von Wachstedt nach Dingelstädt

Auf dem Wege von Wachstedt nach Dingelstädt läuft am frühen Morgen Vetter Jorch mit sinnem

Reff. Jungfer Myrjanne überholt den älteren Mann und sait:

„Guden Tach, Vetter Jorch – wie getts uch dann noch – trajen uch dann noch die Beine? Dass de

noch uff d’n Handl gett, man sollt es gar nit meine!.

Jorg: „Jou – es fällt mich oi schwer – un du – du wellst woll na Dingelstädt?“

Myrjanne: „Jou“.

Jorg: „Du dienst woll?“

Myrjanne: „Hannemucken! Ich larne Bildung!“

 

 

Heimatlied - Dingelstädt

Von Bergen rings umgeben

Der Unstrutquelle nah,

liegst du mein deutsches Städtchen

in trauter Anmut da!

Und mag die Welt auch schöner sein,

am schönsten ist es doch daheim!

Für uns in Dingelstädt

am schönen Unstrutstrand,

dem allerliebsten Städtchen

im deutschen Vaterland. (Heimatland)

 

Mein Taufpate Bäckermeister Ignaz Hucke (Mitglied des Kirchenvorstandes Dingelstädt), so wie auch mein Vater, Bruder von Ignaz, Bäckermeister Hans Hucke, waren extrem religiös, was in nachfolgenden Gedichten von Ignaz zum Ausdruck kommt

 

 

St. Dorothea

Zum Namenstag Doras 06. Februar 1911, als Widmung zu einem Bilde

 

O Dorothea! Braut des Herrn

Jesu zuliebe beugst Du gern

dein Haupt dem Henkersknechte dar!

Jesus, dein Lohn in Ewigkeit

hat dich die Tapfre eingereiht

der Martyrer glücksel’gen Schar!

Stärk uns o Gott, mit solchem Mut,

dass wir bereit mit unsern Blut

für unsern Glauben einzustehen!

Laß uns gleich ihr, zu jeder Zeit,

mit solcher Herzensfreudigkeit

dem Tode in das Auge seh’n.

 

Ignaz erste Ehefrau hieß Dorothea geb. Jäger. Als 22jähriger hat er dieses Gedicht verfasst. 1919, als

30jähriger, hat er sie geheiratet.

 

Der gute Hirte 29.04.1909, Ignaz war 20 Jahre alt

Von allen frommen Bildern,

die ich bis jetzt gesehen,

gefällt mir dies am besten –

kann mich nicht satt dran sehen.

Es zeigt den lieben Heiland

Wie er, der gute Hirt

sanft das verlorene Schäflein

zurück zur Herde führt.

Umstrickt von Dornenhecken,

ermattet bis zum Tod,

hat endlich er’s gefunden

in seiner großen Not.

Nun trägt er auf den Armen

Die ihm so liebe Last.

Des Wiedersehens Freude

Enthebt ihn jeder Rast.

Und von den rauen Wegen

Die Füße sind voll Blut.

Es hat das holde Antlitz

Versengt die Sonne Glut.

Oh Liebe des Erlösers,

die sich uns ganz hingibt!

Oh lasset uns ihn lieben,

der uns zuerst geliebt!

Ignaz Hucke liebte und beherrschte die lateinische Kirchensprache, hier ein von ihm verfasstes Gebet:

 

Salve, Regina

 

Salve, Regina

Mater misericordiae, vita, dulcedo

et spes nostra, salve.

Ad te clamamus ex sules filii Hevae.

Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac

lacrimarum valle.

Eja ergo, advocata nostra, illos tuus misericordes

oculos ad nos converte.

Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post

hoc exilium ostende.

O clemens , o pia, o dulcis Virgo Maria!

V.: Ora pronobis , sancta Dei Genetrix!

A.: Ut digni efficiamur promissionibos Christi

 

Sei gegrüßt, o Königin

Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsre

Wonne, und unsere Hoffnung, sei gegrüßt!

Zu dir rufen wir verbannte Kinder Evas, zu dir

seufzen wir trauernd und weinend in diesem Tal der

Tränen.

Wohlan denn unsere Fürsprecherin, wende deine

barmherzigen Augen uns zu und nach diesem

Elende zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht

deines Leibes.

O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria!

V.: Bitte für uns, heilige Gottesmutter!

A.: Auf das wir würdig werden der Verheißungen Christi

 

 

Es erinnert an die Pestseuche und die große Hungersnot

Das schwarze Kreuz in der Flur von Dingelstädt

 

Mundartlich: „Das schwarze Kritze“

 

In der südlichen Dingelstädter Feldflur, unweit des Schützenplatzes, befindet sich zwischen zwei

Lindenbäumen ein Holzkreuz mit Korpus. Im 17. Jahrhundert wütete auch im Eichsfeld die

schwarze Pest. Im Jahr 1611 starben in Heiligenstadt 600 und im Jahr 1625 in Worbis 225

Menschen an dieser Seuche. Von Dingelstädt liegen uns keine Zahlen vor, da alle Akten im

großen Brand von 1688 vernichtet wurden. Gemessen an der Einwohnerzahl muss die Zahl

der Toten in Dingelstädt jedoch beträchtlich gewesen sein. Die um die beiden Kirchen gelegenen Friedhöfe reichten nicht aus, um die vielen Toten zu beerdigen, zumal mit einer möglichen

Ansteckungsgefahr gerechnet werden musste. Die Toten wurden also außerhalb der

Gemeindegrenzen, in der Feldflur bestattet. Um 1650 wohnten auf dem Eichsfeld nur noch

rund 12.000 Menschen. (Heute ca. 115.000) Der größte Teil der Eichsfelder war im Dreißigjährigen

Krieg ums Leben gekommen. 1682 kam die Pest wieder auf das Eichsfeld und raffte noch einmal

tausende Menschen dahin. Im Amt Bischofstein allein starben zum Beispiel 1743 Menschen

1771/72 kam es zu einer großen Hungersnot auf dem Eichsfelde der mehr als 1000 Menschen zum

Opfer fielen. In Dingelstädt verhungerten 185 Menschen. Wieder reichten die Friedhofsplätze für

die vielen Tote nicht aus, so dass die Toten in Massengräbern in der Feldflur bestattet werden

mussten.  In vielen Dörfern sind zahlreiche Menschen verhungert. Zum Beispiel gab es durch

Verhungern in diesen Jahren:

·         In Küllstedt u. Büttstedt 336 Tote

·         In Diedorf 146 Tote

·         In Hildebrandshausen 46 Tote

·         In Faulungen 43 Tote

Der Kauf von Lebensmitteln war nur wenigen reichen Eichsfeldern möglich. Es kosteten:

·         1 Malter Korn 9 Thaler

·         1 Malter Weizen 10 Thaler

·         1 Malter Gerste 7 Thaler

Um 1772 brachte dann der Bruder unseres Vorfahren Schmiedemeister Johann Georg Hucke,

der Frachtfuhrmann Georg Adam Hucke, die ersten Kartoffeln von Antwerpen in Belgien auf das

Eichsfeld, wodurch es dann nicht mehr zu solchen katastrophalen Hungersnöten mehr kam.

Ein Korb Kartoffeln kostete zunächst noch 1 Gulden und nur sehr wenige konnten sich um 1772

Kartoffeln leisten.

 

Das schwarze Kreuz, mundartlich „Schwarze Kritze“, erwähnte zwar der Chronist Schäfer nicht,

jedoch berichtet er von dieser Hungersnot, an deren Folgen der Ortspfarrer Frankenberg 1772

verstarb, nachdem er und sein Kaplan Jäger während der in dieser Zeit im Marktflecken

herrschenden Hungersnot bei der Pflege der Kranken und Sterbenden sich bewährt haben.

Dieser geschichtliche Hintergrund mag Anlass gegeben haben, an dieser Begräbnisstätte später

ein Kruzifix für die Verstorbenen zu errichten. Ein solches Pestdenkmal ist uns Lebenden

Mahnung, dieser Verstorbenen zu gedenken, welche mangels Hygiene bzw. ausreichender

Ernährung ihr Leben lassen mussten. Auch der Name der Feldflur „Schwarze Hose“ in

der Nähe der Lengefelder Warte erinnert an die Pestseuche. In diesem „Schwarzen Haus“ wie es

richtig heißt, wurden abseits der Landstraße an der schwarzen Pest erkrankte Menschen isoliert und

bis zu deren Tod untergebracht. Sie wurden auch abseits in der Feldflur bestattet.

 

 

Berühmte und bekannte Eichsfelder Landsleute

 

Apotheker Ludwig Schunk, Dingelstädt

 

 

In dem schönen alten Fachwerkhaus bei der Großen Kirche in Dingelstädt, es ist wahrscheinlich ein ehemaliges Vorwerk von der Burg Gleichenstein, wurde Ludwig Schunk am 22. Oktober 1906 geboren.

Schon im Kindesalter entwickeln sich die ersten Beziehungen zur Natur. Der Vater, Apotheker Richard Schunk, welcher die Apotheke 1902 gekauft hatte, nahm ihn mit, wenn er auf die Jagd oder in den Mertel zum Angeln ging.

Hier erlebte der Sechs- bis Zehnjährige die eichsfeldische Landschaft, beobachtete die Tiere und betrachtete Pflanzen; entdeckte Neues und Besonderheiten, die ein nur flüchtig Hinschauender übersieht.

Nach der Schulzeit in Dingelstädt besuchte er in Duderstadt und anschließend in Heiligenstadt das humanistische Gymnasium. Dort lernte er Professor Neureuter kennen, den Verfasser der „Eichsfeldflora“.

Der Gymnasiast Ludwig Schunk nahm an den naturkundlichen Arbeitsgemeinschaften teil, führte unter Anleitung von Professor Neureuter Bestimmungsübungen durch, lernte das Präparieren der Insekten, das Herbarisieren der Pflanzen und wurde dabei das erste Mal mit der Notwendigkeit des Naturschutzes konfrontiert. Das Studium an der Universität Marburg schloss er 1933 erfolgreich mit dem Pharmazeutischen Staatsexamen ab.

Nach einer Kandidatenzeit in den Apotheken Dingelstädt, Apolda und Mühlhausen erhielt er 1935 die Approbation als Apotheker. Am 01. April 1947 wurde ihm die Konzession zur Führung der Adler-Apotheke in Dingelstädt erteilt.

Bis 1981 stand er voll im Berufsleben und verrichtete noch als 80jähriger den Abend- und Sonntagsdienst in der Apotheke Dingelstädt. Als Leiter der Apotheke erhält er mehrere staatliche Auszeichnungen der DDR und für 30jährige berufliche Tätigkeit die „Medaille für treue Dienste im Gesundheits- und Sozialwesen“ in Gold.

Seine vorbildlichen Leistungen und die große Einsatzbereitschaft werden 1974 mit der Ernennung zum Pharmazierat gewürdigt. In der oft begrenzten Freizeit ging er seinen vielseitigen Interessen nach und leistete dabei eine umfangreiche, auf vielen Ebenen nützliche Arbeit.

Er gründete u. a. in Dingelstädt eine Gruppe des Anglerverbandes, spielte in einer Faustball- und Handballmannschaft mit und aktivierte durch sein Beispiel viele Menschen. Den größten Teil seiner Freizeit verbrachte er in der Natur. Mit ihr fühlte er sich besonders verbunden. Er liebte das Eichsfeld und seine Tier-und Pflanzenwelt. Im Rieth und am Kerbschen Berg bei Dingelstädt beobachtete er die verschiedenen Vogelarten und untersuchte ihr Verhalten und ihre Häufigkeit. Er setzte damit die Arbeit fort, die Strecker vor mehr als 100 Jahren und Brinkmann vor mehr als 50 Jahren begonnen haben.

Sehr umfangreich war auch sein Betätigungsfeld auch auf floristischem Gebiet. Erwähnt werden sollen hier besonders die Orchideenstudien und die Mitarbeit an der Neureuter-Ergänzung. In verschiedenen Veröffentlichungen wurden seine Exkursionsergebnisse publiziert. Hohe Anerkennung verdient sein ständiger Einsatz für die Belange des Naturschutzes.

Auf vielen Wanderungen informierte er interessierte Erwachsene und Jugendliche über die Probleme der Naturschutzarbeit. In seinen aufklärenden, aber auch oft mahnenden Worten kam immer wieder die Sorge um die Erhaltung der seltenen Tier- und Pflanzenarten und die Sorge um den Schutz und die Pflege unserer gesamten Umwelt zum Ausdruck.

Er gehörte verschiedenen regionalen Arbeitskreisen und Fachgruppen an, die er zum Teil mit gegründet hatte, war Mitglied der „Deutschen Ornithologischen Gesellschaft“, der „Gesellschaft für Natur und Umwelt“, erhielt für seine langjährige und aktive Mitarbeit Anerkennungsurkunden und wurde vom Kulturbund der DDR mit hohen Auszeichnungen geehrt.

 

Ludwig Schunk verstarb in Dingelstädt und ist dort begraben.

 

 

Eichsfeld – „Hungerfeld“ genannt

 

Am 21. November des Jahres 1844 berichtete ein gewisser von Lengerke, der im Auftrag des Ministeriums für landwirtschaftliche Angelegenheiten eine Reise durch die Provinz Sachsen unternahm, über seine Eindrücke u. a. wie folgt:

 

„Wir betreten jetzt das - man kann sagen – berüchtigte Eichsfeld, spöttischerweise auch Hungerfeld genannt.“

Bekanntlich haben die Eichsfelder Kreise eine sehr dichte Bevölkerung; in Mühlhausen kommen gegen 5 900 in Heiligenstadt gegen 5 200 und in Worbis über 4 600 Menschen auf die Meile.

Die Population wird durch frühes und leichtfertiges Heiraten nur in nachtheiliger Weise vermehrt. Die jetzige Generation, zum großen Teile erzeugt durch unreife Eltern, bei der Ungunst der Produktionsverhältnisse und dem Mangel heimischer Erwerbsquellen auf ein frugales und unstetes Leben angewiesen, bietet im Allgemeinen nur einen schwächlichen Menschenschlag.

Im übrigen ist er arbeitsam und industrieös, von höflichen Manieren und von treuer Gesinnung. Während des Sommerhalbjahres wird zu Tausenden in die Fremde gezogen, um, gleich dem Hamster, den winterlichen Lebensunterhalt einzuholen. Die Wollkämmer bringen ihren Verdienst in natura mit, 50 und mehr, oft 250 Pfund Kammlinge, zum Wert von 5 Sgr. a Pfund, welche sie im Winter verweben und dadurch, da sie aus 6 Pfund ein Stück Rasch a 2-3 Rthlr. fabrizieren, auf das dreifache verwerten.“

 

Die „öffentliche Stimmung“ war nicht zu loben (1848) Nachdem die Märzaufstände der geknechteten armen Bauern, Weber, Spinner und Handwerker im März des Jahres 1848 auf dem Eichsfeld mit kräftiger Unterstützung des Militärs niedergeschlagen worden waren, wurde die 9 Regierung in Erfurt am 06. Juni 1848 über die „öffentliche Stimmung“ wie folgt informiert: „Die Stimmung des Publikums ist im Allgemeinen nicht zu loben. Die Mehrzahl der Einwohner hat bisher nichts erwartet als Aufhebung aller Steuern und Staatslasten. Alle vernünftigen Vorstellungen dieserhalb und das bei den derzeitigen gesteigerten Staatsbedürfnissen vorläufig auch nicht einmal eine Ermäßigung zu erhoffen, wohl aber noch eine Erhöhung der Abgaben zu zu erwarten sei, werden ungläubig angehört. Das Wort Freiheit wird sehr arg mißverstanden, man verwechselt solches mit Befreiung von allen Abgaben und Leistungen. An Gesetze und Ordnungen will man sich nicht binden.

Die Verhandlungen des Parlaments in Frankfurt, werden mit großer Theilnahme und Spannung verfolgt.“

 

 

 

 

Die Sonnenuhr in Dingelstädt am Wohnhaus Mühlwehr Nr. 4

 

Dieses kleine Schmuckstück an dem alten Fachwerkhaus in Dingelstädt fällt dem Vorübergehenden sofort ins Auge. Schon so mancher Besucher hat dieses Kleinod bewundert und fotografiert. Die aus Holz bestehende Sonnenuhr wurde vom Dingelstädter Tischlermeister Keppler im Jahre 1842 gefertigt. Nachdem sie viele Jahre auf einem dunklen Dachboden abgelegt war, kann sie seit 1973 wieder in restaurierter Form die Sonnenstunden des Tages anzeigen. Kunstmaler Richwien besorgte die Restaurierungsarbeiten. Frau Margarethe Martin, die das Haus Mühlwehr Nr. 4 bewohnte, sorgte dafür, dass sie wieder am alten Platz befestigt wurde. Die Sonnenuhr ist 50 cm hoch und 35 cm breit. Sie ist zwei Meter über der Erde angebracht. Die Stundenlinien und die Stundenziffern werden seitlich von zwei Säulen begrenzt. Die untere Begrenzung bildet die Jahreszahl 1842. Der Polstabfußpunkt liegt im Mund einer plastisch geformten Sonne. Die Stundenlinien werden durch Sonnenstrahlen dargestellt, während die nach oben verlaufenden Strahlen der Sonne von einem Himmelsgewölbe eingeschlossen werden. Den oberen Abschluss bildet eine Krone mit einem Kreuz. An der Seite des Grundbrettes sind Ranken zur Verzierung angebracht. Die Säulen sind gedrechselt worden, während die anderen Darstellungen geschnitzt sind. Der Hersteller dieser Sonnenuhr hat mit viel handwerklichem Geschick an diesem kleinen Kunstwerk gearbeitet.

 

 

 

 

 

 

1828 wird eine wohltätige Erfindung angepriesen

 

Das Worbiser Kreis-Wochenblatt informierte am 21. Januar 1828 über die folgende wohltätige Erfindung:

 

„Die meisten armen Leute, vorzüglich auf dem Lande, sterben an quälendem Gekrächze ihrer vielen Brust- und Lungenkrankheiten, welche eine häufige Folge sind des vielen Dampfes ihrer Lampen mit dem unreinsten Oele in den engen und niedrigen Stuben während der langen Wintermorgen und Winterabende.

Dieser Lampendampf ist eine schwere Winterplage für Millionen, besonders für die Alten und für die kleinen Kinder, denn er setzt sich ebenso an die Wände und Sachen als an Nase, Brust und Lungen und verursacht Röcheln und schweres ängstliches Atemholen.

 

Es wird deshalb empfohlen, den Dampf abzufangen, bevor er sich verbreitet. Dazu wird ein viereckiger oder runder Teller von Eisenblech oder Thon über die Spitze der Lampenfalle auf ein hölzernes Dreibein mit der Öffnung nach unten gelegt. Der Dampf setzt sich dann als Ruß am Teller fest. Nach wenigen Stunden bilden sich Rußzapfen, die einerseits die Schädlichkeit des Dampfes bezeugen und mildern, andererseits kann der Ruß abgekratzt, gesammelt und verkauft werden, da er zu allerhand nützlichen Dingen taugt.“

 

 

Die letzte Hinrichtung im Eichsfeld war 1836

 

Heute ist nur im Volksmund der Name „Galgenhügel“ oberhalb des Hungrabens in Heiligenstadt in Richtung Mengelrode bekannt, ein kleines Wäldchen, in dessen Nähe Schrebergärten ihre Besitzer erfreuten und in den letzten Jahrzehnten Neubauten errichtet wurden.

 

In der Vergangenheit grauste es den Bürgern der Kreisstadt, wenn der Name genannt wurde. Er erinnert an grausige Geschehen, die sich vor vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten dort oben abgespielt hatten.

Damals war der Ort die Hinrichtungsstätte für Mörder und Verbrecher. So sollte eine Giftmischerin unbekannten Namens am 16. April 1812 - also zur Zeit der französischen Besetzung - auf „der Höhe im sogenannten Hungraben“ hingerichtet werden. Zur Vollstreckung des Urteils wurde die Stadt aufgefordert, 50 Bürger zu stellen, die sich mit der Departementskompanie auf dem Platz trafen und einen Kreis um den Hinrichtungsplatz bildeten, um „die Ordnung, welche an jenem Tage wegen des einfallenden Jahrmarkts besonders nöthig zu seyn scheint zu erhalten“.

 

Das anatomische Institut in Göttingen zahlte für die Überführung der Leiche 25 Franken und 60 Centimes. Der Leichnam diente den angehenden Medizinern zum Studium. Ein Amtsbericht vom 05. Juni 1830 brachte die lakonische Meldung: „Am 24ten Mai des Morgens um 6 ½ wurde in der Nähe der Stadt Heiligenstadt der wegen dreifachen Mordes berüchtigte Christoph Schuchart aus Kefferhausen, nach vorgängiger Schleifung auf einer Kuhhaut bis zur Richtstätte, durch das Rad von unten nach oben, dem ergangenem Urtheil zufolge, vom Leben zum Tode befördert.“ Das war ein grauenhafter Tod für einen Mörder, der seine Geliebte und ihre zwei Kinder umgebracht hatte.

 

Am 23. Dezember 1836 war die letzte Hinrichtung auf dem Galgenhügel, als Georg Urbach aus Lengenfeld aufs Rad geflochten wurde.