Inhalt von Nr. 10:

 

1. Pfingsttreffen 2012

2. Hohnsteiner Bauernleben vor 70 Jahren (also um 1840)

3. Schwere Unwetter über Dingelstädt 1852

4. Schwere Unwetter über Dingelstädt 1953

5. Ein preußischer Regierungsrat urteilt über die Wanderarbeiter des Eichsfeldes (1852)

6. Verurteilung Bäckermeister Hans Hucke durch einen Schnellrichter – Eichsfelder Tageblatt 1933

 

Pfingsttreffen 2012

 

Es war eigentlich angedacht, ab dem Jahr 2012 jährlich ein gemeinsames Pfingsttreffen der Familie Hucke durchzuführen und dies zu einer Tradition werden zu lassen. Wegen Verständigungsschwierigkeiten kam es dann aber zu einem Pfingsttreffen in Helmsdorf bei Erwin Hucke und zu einem kleinen Pfingsttreffen mit Familie Hans Georg Hucke bei Heinrich Hucke in Wingerode.

Im Jahr 2013 kann es also nur noch besser werden. Man könnte sich auch überlegen, das Treffen in einer Gaststätte mit Gartenlokal durchzuführen. Es bieten sich da z. Bsp. an: Gaststätte auf dem Sonnenstein bei Holungen Hotel und Gaststätte Klostermühle Hotel und Gaststätte Luttermühle Gaststätte Lengefelder Warte - und andere geeignete Gaststätten Wenn eine größere Anzahl von Personen zusammenkommt, sind dann die privaten und örtlichen Gegebenheiten nicht mehr für ein Treffen geeignet. (Grundstücksgröße, Sitzplätze, Tische, sanitäre Anlagen usw.)

Anmerkung: Diese Idee hat sich leider ganz zerschlagen und ist in Vergessenheit geraten.

 

 

 

 

Die Grafschaft Hohnstein grenzte westlich an das Eichsfeld

Großbodungen, heute im Eichsfeld, gehörte früher einmal dazu.

 

Die hier geschilderten Lebensumstände haben sich so auch bei den Bauern im Eichsfeld zugetragen. Der wohl einzigste Unterschied besteht darin, dass das Eichsfeld katholisch und das Hohnsteiner Land protestantisch ist. Fromm waren sie alle.

 

Wirtschafts- und Haus-Kalender für das Jahr nach Christi Geburt 1910 Sondershausen:

 

Hohnsteiner Bauernleben vor 70 Jahren (also um 1840) von Fr. König

 

In unserer, gegen die erste Hälfte des vorigen Jahrhunderts so ganz und gar anders gearteten Zeit begegnet man nicht selten der Ansicht, dass die Vielgestaltigkeit des modernen Lebens und die dadurch bedingte Lebensführung den Menschen jener Tage - wäre es ihnen vergönnt, sich noch einmal unter uns umzusehen – ungewöhnlich fremd vorkommen würde. Und diese Meinung ist wahrlich nicht ohne Grund. Die zahlreichen Erfindungen der Neuzeit haben auf allen Lebensgebieten im großen wie im kleinen so von Grund auf umgestaltend eingewirkt, dass man sich schlechterdings nicht vorstellen kann, wie jene mit ihrem schlichten Sinn und ihrer ungleich einfacheren Art, Leben und Wirtschaft zu führen, sich in den heutigen Verhältnissen zurecht finden sollten. Umgekehrt würde unser heutiges Geschlecht sich aber auch nicht an die früheren Verhältnisse gewöhnen können. Das ganze Leben von damals war einfacher, schlichter und harmloser und entbehrte viele Dinge, die wir heutzutage für notwendig halten.

Betrachten wir einmal eine bäuerliche Wirtschaft, wie sie etwa vor 70 Jahren in unserem Hohensteiner Ländchen beschaffen war, und man wird zugeben müssen, dass sich das Bauernleben nicht nur in seinen äußeren Formen, sondern auch in seinem inneren Wesen seit jener Zeit wesentlich geändert hat.

 

Also eine Bauernwirtschaft ums Jahr 1840!

 

Wenn wir die schmutzige Dorfstraße überschreiten, so stehen wir vor der „Pfortentür“. Ein verwittertes Hoftor voller Risse und Löcher, schließt das Gehöft ab, und eine Tür daneben gewährt den Eingang. Wir drehen an einem eisernen Ringe, und die Tür geht auf; sie ist nur eingeklinkt. Ein Schloss fehlt, aber inwendig befindet sich ein Riegel. Gewöhnlich bleibt der Hof jedoch nicht nur am Tage, sondern auch während der Nacht offen, denn Diebe fürchtet niemand. Indem wir eintreten macht sich ein hässlicher Geruch bemerkbar; er rührt von der Jauche her, die unter dem Tore herausfließt. Der Bauer hat keine Ahnung davon, dass ihm damit ein wertvolles Düngemittel entgeht. Der Hofraum, gewöhnlich die Misten genannt, ist ungepflastert. Von allen Dächern läuft der Regen auf den Dünger und laugt ihn aus. Die Dächer sind mit Ziegeln bedeckt, denen auf dem Wohnhause Strohwische unterlegt sind. Strohdächer gibt es in dieser Zeit innerhalb der Grafschaft nicht mehr. Die Wände der Gebäude bestehen aus Fachwerk, das gezäunt und mit Lehm überstrichen ist. Mitten auf dem Hof steht der Brunnen, von einem in der Regel defekten Holzgestell umgeben. Der hölzerne Eimer wird an eine Stange gehängt und gefüllt mit der Stange herausgezogen.

 

Doch treten wir in den Hausflur oder „Huseeren!“ Der Fußboden besteht aus Estrich, und die Wände sind weiß gekalkt. Sein Licht empfängt er durch die Tür, die aus zwei Hälften besteht. Die obere Hälfte ist offen, während die untere geschlossen ist, um dem Vieh den Eintritt zu verwehren. Hinter der Tür steht ein Kleiderschrank von blauer oder grüner Farbe, mit bunten Linien verziert, den Großmutter als Hochzeitsgut ins Haus gebracht hat. Wir klopfen an die Stubentür, und eine tiefe Stimme ruft „Herein!“ Sie gehört dem Hausvater an, der mit seiner Familie gerade beim Mittagessen sitzt. „Schmeckts?“ lautet unser Gruß.  „Wull denn än mehlichen mettässe?“ erwidert die Hausfrau. „Nei, ich danke, awer hensitze will ich mich än Linschen, domett ich de Roihe nich mettnähme“ meint der Gast und setzt sich auf den einzigen noch freien Stuhl. Er sieht sich in der Stube um. Der Fußboden ist von Estrich, der von der Hausfrau fast täglich mit weißem Sande bestreut wird. An einigen Stellen befinden sich Löcher, und ist daher beim Vorwärtsgehen Vorsicht geboten. Die Wände sind mit Kalk geweißt und mit blauen Flecken besprenkelt. Diese Neuerung war zur Kirmes vorgenommen, denn zu diesem Feste muss alles sauber aussehen.

Und wahrlich, es war die höchste Zeit, dass etwas geschah, denn die Heerscharen von Fliegen hatten Wände und Decken derart geschwärzt, dass man nicht mehr sehen konnte, was schwarz oder weiß war. Mittel gegen diese Quälgeister kannte man nicht; wurden sie gar zu schlimm, so trieb man sie mit Büschen zum Fenster hinaus. Der kräftige Holztisch hat eine starke Tischplatte aus Eichen- oder Eschenholz und ruht auf vier runden abgedrechselten Beinen, die unten mit Bänkchen verbunden sind, worauf die Füße ruhen.

 

Oben an der Wand ist der Kannrück, auf dem zinnerne Kannen, ein Paar rindlederne Schuhe und einige Bücher liegen. Zu diesen gehören das Halberstädter Gesangbuch, ein Predigt- und ein Gebetbuch und auch wohl etliche Volksbücher, wie Genoveva, Peter mit dem silbernen Schlüssel, Kaiser Oktavianus, Eulenspiegel u. a. Sollten diese aber auch fehlen, sicher ist der schwarzburgische Kalender da oben. Zwar ist er bei einem Taler Strafe im Preußischem verboten und der Gendarm fahndet eifrig nach ihm, aber dennoch ist er in jedem Hause zu finden, denn er kostet nur 15 Pfennige und bringt allerlei lesenswertes.

Der Ofen hat einen respektablen Umfang; der untere Teil besteht aus eisernen Platten, auf denen biblische Szenen wie beispielsweise Adam und Eva unter dem Apfelbaume dargestellt sind, während der obere Teil aus tönernen Kacheln zusammengesetzt ist, in denen die Kinder Äpfel und Kartoffelscheiben braten. Hinter dem Ofen ist ein steinerner Sitz für den Großvater, während die Großmutter im Sorgenstuhl sitzt und spinnt oder Strümpfe strickt.

Die Luft in der Stube riecht muffig, aber ein Fenster wird nicht geöffnet, denn man könnte sich erkälten. Im Hintergrund der Stube steht ein großes Bett mit dicken, schweren Federbetten. Auf den Bettbezügen sind allerlei Figuren wie die Stadt Jerusalem oder die Kreuzigung des Heilandes aufgedruckt. Matratzen kennt man nicht, die Federbetten ruhen auf Stroh, das mitunter erneuert wird, was schon aus dem Grund notwendig ist, um nicht den Mäusen, die sich darin trotz aller angewandten Vorsicht einnisten, ein Heimatrecht einzuräumen.

In den Fenstern stehen Balsaminen und Fuchsien und, ist eine heiratsfähige Tochter im Hause, auch eine Myrte. Als Wandschmuck findet man die Bilder vom alten Fritz und dem Fürsten Blücher in grobem Holzschnitt.

 

Doch sehen wir einmal zu, was die Leute Leckeres auf dem Tisch haben! Ein Tischtuch ist nicht aufgelegt, das geschieht nur an den Ehrentagen. Mitten auf dem Tische steht eine große tönerne Schüssel mit Schminkebohnen, getrockneten Zwetschen und einer halben Blasenwurst. Jeder füllt sich den Teller und führt seine Portion mit einem blechernen Löffel zu Munde. Die Teller stammen aus einer Töpferei in Rehungen und sind am Rande mit allerlei nützlichen Sprüchen verziert. Da lesen wir: „Borgen macht sorgen“ „Jung gefreit, hat niemand gereut“ und dergl. Porzellangeschirr kommt nur bei Hochzeiten und Taufen auf den Tisch; für gewöhnlich wird tönernes Geschirr gebraucht, das man von Tippen-Dortchen – einer Rehunger Topfhändlerin – für wenige Groschen kauft. Doch nicht jeden Tag gibt es Schminkebohnen mit Blasenwurst. In der Regel wechseln die Gerichte zwischen Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Mehlspeisen ab. Doch beinahe hätte ich den Kohl vergessen, der in großer Menge für den Winter eingemacht wird. Beim Schneiden desselben müssen die Mannsleute Branntwein trinken, und die Arbeit soll umso besser gelingen, je mehr getrunken wird. So meinen die Männer. Den Durst löscht man mit Kaffee, der seit den Freiheitskriegen in Aufnahme gekommen ist. An Sonn- und Feiertagen ist es Mode geworden, ein Schälchen Kaffee, zu dem man die Bohnen extra ausliest, zu trinken. Doch gebraucht man noch keine Porzellantassen, sondern schlürft den kostbaren Trank aus braunen tönernen Tassen, die für 3 Pfennige das Stück erstanden werden. Gewöhnlich behält man noch einen Rest für den Montagmorgen zurück und stellt dann die Näpfe wieder in den Schrank. Doch an den Werktags Morgen begnügt man sich noch mit der stärkenden Mehlsuppe. Tagsüber trinkt man Kofend der von Gerstenmalz, oder in ärmlichen Familien auch von Weizenkleie, in jedem Bauernhause bereitet wird. Will man sich einen extra Genuss von Kofend verschaffen, so tut man Zwetschenmus und Brotschnitte hinein. Dies Getränk unter dem Namen „kalte Schale“ bekannt, wurde von den Vätern sehr geschätzt. Frisches Fleisch kommt nur des Sonntags auf den Tisch; in der Woche begnügt man sich mit dem, was man selbst geschlachtet hat. Zu dem Schweinefleisch kommt noch eine erhebliche Menge Rindfleisch. Im Herbste nämlich vereinigen sich in der Regel vier Bauern und schlachten zusammen eine betagte Kuh, teilen das Fleisch unter sich und pökeln es ein, sodass man bei dem Mittagsessen nun zwischen Schweine- und Rindfleisch abwechseln kann. Eine Ausnahme in Bezug auf das Fleisch macht die Kirmes. Zu diesem Fest schlachtet man stets ein Schnittchen, das heißt ein einjähriges Schaf. Es ist Ehrensache an diesem Tage frisches Fleisch zu haben; es ist das schon wegen der fremden Gäste, die sich an diesem Tag einstellen, notwendig. Doch die Mahlzeit ist beendet. Ein Kind spricht ein kurzes Tischgebet, und jeder geht an seine Arbeit.

 

Beim Hinausgehen werfen wir noch einen Blick in die Küche. Teller und Töpfe werden auf dem Schüsselbrett aufgestellt. Die Wände sind kohlschwarz vom Rauche, der durch den geräumigen Schornstein emporsteigt. In diesem sind eine Anzahl Querstangen angebracht, an welche das Schlachtwerk zum Räuchern gehängt wird. Neben dem Herde steht der Welkofen, worin das Obst für den Winter welk gemacht wird.

Ist ein größerer Garten vorhanden, so wird das Geschäft in diesem besorgt, denn viele Leute haben den Welkofen im Garten stehen.

 

Doch die Arbeit des Tages ist getan, und die Familie versammelt sich in der Wohnstube. Die gesellige Flamme spendet eine zinnerne Öllampe, die aus der Küche herbeigeholt wird. Eine solche Lampe hat vorn eine geschlossene Dille, durch die ein baumwollener Docht gezogen ist. Die Flamme wird durch Samen- oder Rüböl, das in dem darauf geschraubtem Glase aufbewahrt wird, genährt. Brennt die Flamme zu niedrig, so hebt die Mutter den Docht mit einer Haarnadel etwas höher, und das Licht brennt wieder hell. Will man Licht anzünden, so gebraucht man Feuerzeug, das in jedem Haushalte angetroffen wird und aus Stahl, Stein und Zunder besteht. Den Feuerstahl nimmt man in die rechte und den Stein in die linke Hand, schlägt beide Teile fest aufeinander bis Funken entstehen und den darunter liegenden Zunder entzünden. Aber wehe, wenn man vergessen hat, neuen Zunder zu nehmen; denn trotz reichlicher Funken erlöscht das Feuer, ehe der Zunder brennt, und alle weiteren Versuche bleiben erfolglos. Im höchsten Grade erschöpft von den Anstrengungen, entschließt man sich endlich, zum Nachbar zu schicken, um Licht in einer Laterne zu holen, was in der Nacht oder im kalten Winter auch keine angenehme Sache ist. Anfangs der vierziger Jahre kamen dann die Streichhölzer in Gebrauch, und das Feuerzeug wurde beiseitegelegt.

 

Neben den Öllampen brannte man in wohlhabenden Bauernhäusern auch Talglichte, die man aus Rindstalg selbst goss. Da aber viele Lichte nicht brennen wollten, so war man damit nicht besser daran als mit Öllampen. Die Schnuppen an den Lichtern wurden von den feineren Leuten mit der Lichtschere geputzt; gewöhnlich aber schneuzte man sie mit den Fingern. In der Regel hatte die jüngste Tochter das Amt des Lichtputzens zu übernehmen, erntete jedoch selten Dank damit. Wer nämlich keine geschickte Hand dazu hatte, putzte häufig das Licht aus, wofür er entweder ausgescholten oder doch wenigstens ausgelacht wurde.

Um den Tisch herum sitzen die Kinder und lernen aus der Bibel oder dem Gesangbuche. Nach dem Lernen kommen allerlei praktische Arbeiten an die Reihe. Die Knaben müssen Linsen oder Bohnen lesen, während die Mädchen spinnen. Gehobener wir die Stimmung, wenn Äpfel geschmaust und Nüsse geknackt werden. Nach getaner Arbeit gibt man sich Rätsel auf, spielt Mühle oder schwarzen Peter und singt allerlei Volkslieder.

Am Sonnabendabend singt die Familie ein passendes Lied aus dem Gesangbuche, und der Hausvater liest ein Kapitel aus Starkes oder Habermanns Gebetbuche vor. Ebenso wird am Sonntagmorgen vor dem Kirchengehen ein geistliches Lied vorgelesen.

Die älteren Kinder gehen jeden Sonntag zur Kirche, während die Eltern im Besuche derselben abwechseln. Unsere Väter waren sehr gottesfürchtig, und aufrichtiger religiöser Sinn lag tief in ihrem Herzen. Überhaupt hat man heutzutage gar kein rechtes Verständnis dafür, welche Weihe die Sonn- und Festtage früher hatten und wie gehoben und getröstet man aus der Kirche kam. Nach dem Gottesdienste unterhielt man sich von der gehörten Predigt, und wenn man des Sonntags in ein Haus kam, fand man den Vater oder die Mutter in einem Predigtbuche lesen.

Die Einfachheit unserer Vorfahren fand ihren Ausdruck auch in ihrer Kleidung. Die Männer trugen Röcke von blauem Tuche; der Stoff war so haltbar, dass er 40-50 Jahre hielt. Hatte er an Ansehen verloren, so wendete man ihn, und zuletzt schnitt man ihn für die Kinder zu. Die Frauen trugen Spenzer und Hauben mit langen seidenen Bändern. An den Werktagen hatte der Bauer entweder einen blauen Kittel von Leinen oder eine blaue Jacke und lederne Hose, die Frauen einfache Beiderwand Röcke an. Am schlimmsten waren die Knaben mit ihrer Kleidung bestellt. Nur ausnahmsweise erhielten sie neue Kleidungsstücke, in der Regel wurden ihnen die abgelegten Röcke und Hosen des Vaters zugeschnitten. Mützen erhielten sie überhaupt nicht, sie gingen barhäuptig, und den Sommer über gingen sie auch barfuß.

 

Die häusliche Zucht war sehr streng. Widerspruch seitens der Kinder wurde nicht geduldet; Kinder und junge Leute durften nur sprechen, wenn sie gefragt wurden; ja selbst Erwachsene und verheiratete junge Leute durften, wenn sie alten Leuten gegenüberstanden , ein gewisses Maß von Bescheidenheit nicht überschreiten, sonst wurden sie von den Alten sofort abgefertigt. Wenn es die Arbeit irgendwie erlaubte, rauchte der Bauer seine kurze Pfeife, zu der er den Tabak in einer kurzen Schweinsblase oder in einem ledernen Beutel bei sich trug. Feuerschwamm, Stahl und Stein kamen niemals aus seiner Westentasche. Den Tabak brachten Händler aus Duderstadt; es war eine Sorte, die mehr für das Feld als für die Stube passte. War der Vorrat zu Ende ohne gleich Ersatz zu haben, so behalf man sich einstweilen mit getrocknetem Sanickel, Waldmeister und ähnlichen Kräutern. Aber man rauchte nicht nur, sondern schnupfte auch tüchtig, und das taten Bauer und Bäuerin. Die Mannsleute entnahmen mit den Fingerspitzen ihr Prieschen einer kleinen Dose von Birkenholz, während die alten Frauen den Schnupftabak mit einem kleinen Hornlöffel der Nase zuführten. Manche Leute machten so ausgiebig Gebrauch davon, dass man die Spuren sowohl auf der Kleidung als auch dem Fußboden deutlich erkennen konnte. Schnupftabaksdosen und mit Perlen gestickte Tabaksbeutel wurden in jener Zeit häufig als Geschenk gegeben.

Des Sonntags besuchte der Bauer gern das Wirtshaus, wo ein einfaches Bier aus Tonkrügen getrunken wurde. Solch ein Gefäß kostete acht Pfennige und daher steckte der Bauer gewöhnlich acht oder sechzehn Pfennige ein, je nachdem ob er ein oder zwei Krüge zu trinken pflegte. Wer es bis zu drei und mehr brachte, brauchte dann schon extra einige Dreier für Schnäpse, die zwischendurch getrunken wurden. Das Wirtschaftsgeld wurde aus den Einnahmen für Getreide und Vieh bestritten; doch waren diese Beträge nicht erheblich. Wohl war das Getreide bisweilen hoch im Preise, doch konnte es im folgenden Jahre bis auf die Hälfte herabsinken, und was die Viehpreise anbelangt, so bewegten sie sich in solch bescheidenen Grenzen, dass wir bei unsern hohen Fleischpreisen nur mit stiller Wehmut daran zurückdenken können. Eine Kuh kostete 50-60, ein Kalb 4-6 M. und ein Pfund Butter etwa 50 Pfennige. Unsere Väter rechneten überhaupt nicht mit solch hohen Summen, wie wir es heutzutage tun. Wer ein Vermögen von 8- 10.000 Talern besaß, wurde schon für reich gehalten. Das Leben unserer Väter verlief unter fortwährender Beschäftigung; Müßiggang wurde nicht geduldet. Jede Arbeit musste mit der Hand verrichtet werden, war daher mühseliger und andauernder. Aber doch war das Leben nicht ohne Behaglichkeit. Kein Geschäft wurde überstürzt, alles ging seinen ruhigen Gang. War die Ernte vorbei – geschnitten – so begann man nach Kreuzes Erhöhung (14.09.) mit der Winterbestellung, und dann wurde das Getreide ausgedroschen. Hatte man drei oder vier Paar Arme zur Verfügung, so konnte die Arbeit in einigen Monaten beendet sein; musste aber der 8 Bauer den Dreschflegel allein schwingen, so konnte Pfingsten herankommen, bevor die letzte Garbe leer war. War der Bauer für gewöhnlich in ernster nüchterner Stimmung, so gab er sich an Fest- und Ehrentagen einer ungeteilten, herzlichen Fröhlichkeit hin, wie sie unser Geschlecht nicht mehr kennt. Die jungen Leute tanzten des Sonntags, immer im blauen Kittel und später in kurzer Jacke unter der Linde, und wenn der Tanzplatz vom Regen aufgeweicht war, so streute man Spreu; aber getanzt musste werden, und das war ja umso eher möglich, als das Tanzgeld nur 2 gGr. betrug und polizeiliche Erlaubnis nicht nötig war. So war das Bauernleben in den vierziger Jahren beschaffen! In manchen Dingen haben wir unsere Väter überflügelt, und wir möchten die gewonnenen Vorteile nicht missen. Was aber religiösen Sinn, Treue und Glauben, Genügsamkeit und Anspruchslosigkeit anbelangt, so haben wir entschieden Einbuße erlitten und die gute alte Zeit war uns darin überlegen.

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(Unter teilweiser Benutzung von O. Förster und F. Pollak „Der Kreis Worbis“.) O alte Zeit wo bist du hin? Du gingest und ich blieb; und ach, seit ich dir ferne bin, hab ich dich doppelt lieb!

 

 

 

Schwere Unwetter über Dingelstädt 1852

 

Am 26. Mai 1852 – also vor nunmehr 160 Jahren – entlud sich im oberen Unstrutgebiet ein böses Gewitter mit starken Wolkenbrüchen und heftigem Hagelschlag.

Es entstanden nicht nur große Schäden durch die Überschwemmung von Feldern, Wiesen und Gärten, sondern in Dingelstädt wurden auch fünf Wohnhäuser und fünf Scheunen von den Fluten weggerissen.

Dabei starben in unserem Unstrutstädtchen fünf Menschen, 13 weitere kamen in Küllstedt und den an der Unstrut gelegenen Dörfern ums Leben.

Aus Dingelstädt berichtet der Chronist darüber unter anderem:

 

„In einer mannshohen Mauer wälzten sich die Wasserfluten heran, in wenigen Minuten glich die Unstrut einem reißenden Strome, der Brücken und Stege zerstörte. Der Wasserstand erreichte auf dem Mühlwehr untere Fensterhöhe. Die Bewohner flüchteten angsterfüllt in die oberen Stockwerke.

Oberhalb des Kuchenbuchschen Hauses wurde das Nachbarhaus von den Fluten umgerissen. Die Ehefrau des Besitzers Adam Müller kam mit ihrer Tochter, der Frau des Wollkämmers Pätz, in den Fluten um. Die letztere wurde mit ihrem Säugling von dem Strom hinweggerissen. Bei der großen Brücke trieb der Säugling nach der Mühlhäuser Straße zu und wurde durch die beherzte Tat des Wollkämmers Johann Heinrich Höppner gerettet.

 

Ein weiteres Opfer der Fluten wurde die Einwohnerin Therese Sander. Sieben Opfer forderte das Unwetter bei dem Brückenbau an der Küllstedter Chaussee. Die Arbeiter ahnten nichts von den gewaltigen Wassermassen, suchten in einer Bretterhütte Schutz und wurden von den Fluten hinweggeschwemmt. Sechs Mauergesellen ertranken. Der Maurergeselle Anselm Strecker hatte Glück. Er wurde eine Strecke weit fortgerissen, konnte sich aber an einem Baumzweig retten. Außer diesen Menschenleben ist die aus 697 Stück bestehende Schafherde auf dem Pfingstrasen überrascht worden und bis auf 60 Stück zugrunde gegangen.“

 

 

 

Jahr 1953

 

Der Sommer vor 59 Jahren ist mir (Heinrich Hucke) als Kind im Gedächtnis geblieben. Der Sommer 1953 war ungewöhnlich schwül und brachte dem Eichsfeld zahlreiche Gewitter. Nachdem schon im Juni 1953 schwere Wolkenbrüche und Hagel weite Teile des Eichsfeldes heimgesucht hatten, verwüsteten in der Nacht vom 17. zum 18. Juli eines der schlimmsten Unwetter seit Menschengedenken die Fluren zahlreicher Eichsfelddörfer, darunter auch die Stadt Dingelstädt.

 

Herniederprasselnde Hagelschütten – die Eiskörner hatten vielfach die Größe von Taubeneiern – vernichteten die Früchte monatelangen Fleißes der Bauern, alles war zerschlagen, niedergewalzt, in den Boden gestampft.

Die Getreidefelder waren nach dieser Schreckensnacht durchschnittlich zu 90 Prozent, teilweise sogar völlig vernichtet.

Zermalmt waren auch die Hackfruchtflächen und zerrupft die Obstbäume. Ich kann mich an diese Naturkatastrophe deshalb so gut erinnern, weil ich als siebenjähriges Kind das danach folgende drei Tage anhaltende Hochwasser hautnah miterleben konnte.

 

Was die Erwachsenen zur Verzweiflung brachte war für uns Kinder ein mächtig beeindruckendes Erlebnis. Unterhalb der Backstube hinter der Bäckerei auf dem Anger verläuft auch heute noch ein Flutgraben. Das aus Richtung Eberhöhe, Hockelrain und Stadtwald heranflutende Hochwasser staute sich vor der Unterführung vor der Fleischerei Kirchberg und trat bis auf die Birkungerstraße über. Im Graben selbst konnten die Menschen ihre Häuser nur noch mit nassen Füßen erreichen. Sie wateten im Wasser, das ihnen bis an die Knie reichte. Im Bett der Unstrut wälzten sich die größten Wassermassen. Die Straße „An der Unstrut“ und der „Plan“ standen unter Wasser, die Keller waren vollgelaufen. In der Blochmühle stand das Wasser bis in den ersten Stock. Große Schäden gab es auch in der Aue und bei den Häusern entlang der Unstrut bis zur Kerbschen Mühle vor dem Bahnviadukt. Selbst das ehemalige Kaffeehaus am Kerbschen Berg stand unter Wasser.

 

 

 

Ein preußischer Regierungsrat urteilt über die Wanderarbeiter des Eichsfeldes (1852)

 

Der Erfurter Regierungsrat von Trettau, der im April des Jahres 1852 die drei Eichsfeldkreise Heiligenstadt, Worbis und Mühlhausen bereist hatte, berichtete in absoluter Verkennung der wahren Sachlage am 20. Mai 1852 über den Notstand auf dem Eichsfeld wie folgt:

 

„Wenn auch nicht in physischer so doch in sittlicher Beziehung wirkt die Gewohnheit des Eichsfelders, in den Sommermonaten außer der Heimat Arbeit zu suchen, fast gleich nachteilig. Er gewöhnt sich dadurch an das Betteln und Vagabundieren, nimmt allerhand Laster an und verliert den Sinn für das Familienleben.

Nimmt er seine Kinder auf die Wanderschaft mit, so wachsen dieselben meistens ohne allen Schulunterricht auf, lässt er sie zu Hause, so bleiben sie ohne alle Aufsicht und verwildern. Am nachteiligsten ist dies Aufarbeitgehen für die Sittlichkeit eben erwachsener Mädchen, die meistens nach einem halben Jahre als angehende Mütter in ihre Heimat zurückkehren.

Jenes Umherschweifen ist dem Eichsfelder so zur anderen Natur geworden, daß er es nicht lassen kann, wenn ihn auch keinesfalls die Not drängt, auswärts Arbeit zu suchen.

Er will sich auch seinerseits die Welt ansehen, wie es seine Väter und Großväter getan. Überhaupt fehlt es ihm durchaus an Sinn für Sparsamkeit. Sehr selten denkt einer daran, in der Zeit guten Verdienstes einen Notpfennig zurückzulegen, Sie kehren im Herbste gewöhnlich ebenso arm, nur mit sicherem Körper wieder in die Heimat zurück.“

 

 

 

 

Kommunisten sollen wieder an dringende und nützlichere Arbeit gwöhnt werden

 

 Im Eichsfelder Tageblatt von 1933 ist u. a. zu lesen: Eichsfelder Tageblatt vom 13.03.1933: Reichsinnenminister Dr. Frick:

 

„.. wenn am Tage des Frühlingsanfangs am 21. März der neue Reichstag zusammenträte, würden die Kommunisten durch dringende und nützlichere Arbeit verhindert sein, an der Sitzung teilzunehmen. Diese Herrschaften müssten wieder an fruchtbringende Arbeit gewöhnt werden. Dazu werden wir ihnen, fuhr der Minister fort, in Konzentrationslagern Gelegenheit geben. Wenn sie sich dann wieder zu nützlichen Gliedern der Nation erziehen lassen, wollen wir sie als vollwertige Volksgenossen willkommen heißen. Sonst aber werden wir sie auf die Dauer unschädlich zu machen wissen.

 

(Nach Ende des Dritten Reiches haben die meisten Deutschen angeblich nichts von der Existenz von Konzentrationslagern gewusst!)

 

 

 

März 1933: Kommunales Reinemachen

 

Das Eichsfelder Tageblatt vom März 1933 ist voll von Berichten über ein „Kommunales Reinemachen“. Das „Kommunales Reinemachen“ wurde durch NSDAP Volksgenossen durchgeführt.

Man verstand darunter: Entfernung aller demokratisch gewählten SPD – KPD und anderer missliebiger Abgeordneten aus den jeweiligen Gemeinde, - Stadt –und Kreisräten. Unter dem Vorwand persönlicher Bereicherung oder Amtsmissbrauch wurden diese erst mal von ihrem Posten entbunden (in Schutzhaft genommen und erst mal in ein KZ gebracht) und NSDAP Leute in die freigewordenen Funktionen eingesetzt.

Später wurden die meisten wieder aus dem KZ freigelassen, nachdem evtl. auch das persönliche Vermögen der Betreffenden zugunsten der NSDAP eingezogen war. (In der Zeitung wurde regelmäßig darüber berichtet.)

Mit Wirkung vom 01.07.1933 erscheint das Eichsfelder Tageblatt als amtliches Organ der NSDAP und ist damit nicht mehr parteienunabhängig und neutral.

 

 

 

 

Am 08.11.1933 ist diese kurze Notiz im Eichsfelder Tageblatt zu lesen:

Eichsfelder Tageblatt vom 08.11.1933: Dingelstädt.

Bäckermeister Hans Hucke wird 1933 von einem Schnellrichter verurteilt

 

Vor dem Schnellrichter hatten sich zwei hiesige Einwohner zu verantworten wegen übler Nachrede gegen den Ortsgruppenführer Wiederhold. Das Gericht erkannte auf eine Strafe von 30,00 bzw. 45,00 RM.

 

Anmerkung:

Bei der einen Person handelte es sich um meinen Vater, Bäckermeister Johannes Hucke, ehemals Zentrumspartei, in Dingelstädt genannt „Der schwarze Bäcker“ (wegen seiner katholisch konservativen Gesinnung).

Der hatte in der Gaststätte Hartmann, auf dem Anger (Zum Roten Franz, wegen seiner roten Haare) am Stammtisch politische Witze über den Naziführer Wiederhold gerissen.

Damit es überhaupt zu einer Verhandlung vor dem Schnellrichter kam, musste er „freiwillig“ 100 Affen (Tornister) für die Hitlerjugend spendieren. Ansonsten war ihm KZ-Schutzhaft angedroht worden. Die 100 Affen waren natürlich wesentlich teurer als die 45 RM Strafe.

In ein KZ konnte man nach der Machtergreifung der Nazi sehr schnell, auch ohne ein Gerichtsurteil kommen.