Geschichte der Stadt Dingelstädt

 Der Name und das alte (erste) Wappen des Ortes, ein Richtbeil, erinnert an das einstige Halsgericht einer alten germanische Thing-, Ding-, Gerichtsstätte. Wo sich die eigentliche Dingstätte befand, ist heute nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Jedenfalls war Dingelstädt der Ort, an dem die Vollversammlungen des Gaues Eichsfeld stattfanden. Mit der Ernennung zur Stadt am 14.02.1859 wurde vom preußischen Heroldsamt auch ein neues Wappen bestätigt, welches noch heute in etwas geänderter Form gültig ist. Auf silbernem Hintergrund ist ein bewurzelter grüner Eichenbaum mit einem freischwebenden goldenen Ring um den Stamm abgebildet.

In Anlehnung an das erste Wappen und mit dem Hinweis auf den Namen Dingelstädt (Dingstätte) symbolisiert der Ring eine Gerichts- und Thingstätte; die Eiche soll auf die Zugehörigkeit der Stadt zum Eichsfeld hinweisen.

Bereits im 9. Jahrhundert wird der Ort in einer undatierten Urkunde erwähnt, als ein gewisser Eigil seine in Dingelstädt gelegenen Güter dem Kloster Fulda übergibt.

Der Marburger Archivar Dr. Ulrich Hussong datiert diese Einträge mit Sicherheit in die Amtszeit des Abtes Ratger, des dritten Abtes von Fulda zwischen 802 und 817. Da für historische Jubiläen immer das jüngste Datum angenommen werde, sei das Jahr 817 das entscheidende. Und damit jährt sich 2017 die erste Erwähnung von Dingelstädt, aber auch Kreuzebra und Diedorf zum 1200. Male.

Somit zählt die Stadt Dingelstädt zu den ältesten Orten des Eichsfeldes.

Als der Eichsfeldgau im Jahr 897 in einer Urkunde zum erstenmal urkundlich erwähnt wird, umfasst er in etwa das Gebiet zwischen Mühlhausen und Geisleden. Dingelstädt lag im Zentrum dieses Gaues.

Der Ort Dingelstädt liegt in der Talmulde der oberen Unstrut, umgeben von den allmählich ansteigenden Höhen des Düns, der Obereichsfeldischen Muschelkalkhochebene und der Hollau in einer Höhe von 336 Metern.

Von der früheren Geschichte Dingelstädts ist nur sehr wenig bekannt. Nachdem im Jahr 1162 eine Niederlassung der Zisterzienser in Reifenstein gegründet worden war, gelangte das Kloster auch in den Besitz einiger Höfe in Dingelstädt. Spätestens nach dem Erwerb der Ämter Gleichenstein, Scharfenstein und Birkenstein durch den Erzbischof und Kurfürst von Mainz, Gerhardt II., am 13. 11. 1294 spielt Dingelstädt, aufgrund der sich heranbildenden Ware–Geld –Beziehungen, im südeichsfeldischen Raum eine größere Rolle.

Besonders durch die aufgegebenen Siedlungen (Wüstungen) um Dingelstädt wuchs der Ort nach und nach in seiner Größe und in der Einwohnerzahl.

Als das Gericht des Amtes Gleichenstein im Jahr 1309 nach Dingelstädt verlegt wird, erhält der Ort wieder seine ursprüngliche Bedeutung.

1424 wurde die Wallfahrtskirche „Maria im Busch" (Marienkirche) erstmal urkundlich erwähnt. Einer Legende nach erschien im Jahr 1232 einem Hirtenknaben an dieser Stelle die Gottesmutter. In jedem Jahr an dem, dem 0 8. 09. folgenden Sonntag wird das Fest „Maria Geburt" mit einer Wallfahrt gefeiert. In der Kirche befindet sich das Wallfahrtsbild, eine Schnitzarbeit eines unbekannten Meisters des 15. Jahrhunderts. Alljährlich am 2. Ostertag um 14 Uhr findet eine auf den Dreißigjährigen Krieg zurückgehende Tradition, das Steckenpferd reiten um die Wallfahrtskirche statt.

Durch Verlängerung der Frondienste, die Erhöhung der Abgaben und den Raub der Allmende (Wald, Wiese, Wasser) durch die Lehnsherren muss sich auch in Dingelstädt die Lage der Bauern verschlechtert haben. Erschienen doch 1525 unter den Abgesandten des Eichsfelder Haufens mit Augustin Künemund und Ciliax Kobel auch zwei Dingelstädter im Lager des vereinigten Thüringer Haufens (Bauernheeres). Diese zwangen ihren Pfarrer Johannes Koch mit dem Haufen gemeinsame Sache zu machen, wofür sich dieser später rächte und für den Mainzer Bischof und Kurfürsten in der Schadensersatzklage gegen die Freie Reichsstadt Mühlhausen aussagte.

Auch die Zeit der Reformation ging nicht spurlos an Dingelstädt vorüber, und obwohl aus dieser Zeit nur sehr wenige schriftliche Quellen existieren, weiß man doch, dass in Dingelstädt, wie im übrigen Eichsfeld auch, die Bevölkerung überwiegend protestantisch geworden und der Pfarrer, wie auch alle anderen, geheiratet hatte. Sogar die wenigen katholisch gebliebenen  Pfarrer hatten sich verheiratet. Die vom Fürstbischof Daniel Brendel eingeleitete Gegenreformation stellte aber bald die alten Verhältnisse wieder her.

1591 wurde das älteste heute noch vorhandene Gebäude Dingelstädts, die Große Mühle in der Mühlhäuserstraße erbaut. Alle anderen älteren Wohnhäuser sind bei den zahlreichen großen Bränden verbrannt.

Am 20. 10. 1607 wird Dingelstädt gemeinsam mit Gieboldehausen von Rudolf II. laut kaiserlicher Urkunde zu Prag zum Marktflecken erhoben, nachdem jahrzehntelange Verhandlungen mit den umliegenden Städten vorausgegangen waren.

Der Marktflecken Dingelstädt erhielt zunächst zwei Märkte und zwar am Montag nach Gertrudis (17. März) und am Montag nach Johanni (24. Juni). Den dritten Markt erhielt der Ort im Jahre 1662 am Montag nach Nikolaus (6. Dezember) und den vierten 1779 am Montag nach Kreuzerhöhung (14. September).

Im Dreißigjährigen Krieg wurde der Marktflecken mehrmals ausgeplündert und gebrandschatzt, so im Jahr 1632 durch Weimarsche Truppen, welche den Ort  fast vollständig zerstörten. Der Dechant Bode schreibt: „Die Leuthe davonn gegangen, verdorben und verstorben. Man kann die Lichter, die man zum Gottesdienst braucht nicht mehr bezahlen".

Am  20. 12. 1666  kamen Franziskanermönche, neben den Dominikanern auch   berüchtigt als Inquisitoren bei der Verfolgung von Hexen und Protestanten, nach Dingelstädt und nahmen zunächst Wohnung im Haus des Sebastian Frankenberg, als Kirche wurde ihnen die Marienkirche zugewiesen.  Schon nach knapp vier Monaten am 16. 04. 1667 zogen sie aber weiter nach Worbis, wo es dann zu einer Klostergründung kam.

Am 13. 05. 1688 erlebte der Marktflecken eine der größten Brandunglücke seiner Geschichte. In der Gemeindeschänke, welche neben der Gertrudenkirche stand, war ein Feuer ausgebrochen. Von 169 Häusern waren nur 63 westlich und südlich der Gertrudenkirche stehen geblieben, 106 Wohnhäuser und beide Kirchen brannten ab. Die Kirche selbst brannte als erstes mit nieder. Bei dem Brandunglück sind auch alle Kirchen- und Gemeindeakten vernichtet worden, welche noch Auskunft über die Geschichte der Stadt und die Genealogie Dingelstädter Familien hätten geben können.

1713 und 1718 ( 29 Wohnhäuser)  kam es wieder zu größeren Brandunglücken, infolge derer die Dingelstädter eine Brandprozession zum Kloster des Heiligen Antonius nach Worbis gelobten.

Mit der Errichtung einer Poststation im Jahr 1758 wurde Dingelstädt in seiner Rolle als Zentrum des Südeichsfeldes bestätigt. Auf dem Gelände des heutigen Rathauses standen von 1758 bis 1851 die Wirtschaftsgebäude dieser Posthalterei. Besitzer dieser Posthalterei war eine Familie Jagemann, deren Nachkommen zu Zeiten Goethes am Hof zu Weimar eine Rolle spielten. 1904 brannte dies alles ab und an dieser Stelle wurde 1904 als niedersächsischer Renaissancebau ein Wohn- und Geschäftshaus gebaut, welches ab 1936 als Rathaus genutzt wird. Ebenfalls 1904 wurde neben diesem Wohnhaus das Bodungische Freigut als Neobarockbau neu errichtet. Auch dieses Haus dient heute als Rathaus.

Seit 1758 müssen an der Hauptverkehrsstraße zweistöckige Häuser erbaut werden.

Goethe reiste dreimal durch Dingelstädt. Am 08. 08. 1784 musste er im damaligen Gasthaus „Zur Sonne" (gegenüber dem heutigen Rathaus) Quartier machen, wobei das Gedicht „Zuneigung" entstand.

Infolge der Säkularisation, in welcher alle Fürstbischöflichen (geistlichen) Gebiete aufgehoben wurden, kam das Eichsfeld 1802 an Preußen. 1806 kam es zum von Napoleon neu gegründeten französischen Königreich Westfalen. Im Krieg Napoleons gegen Russland wurden auch Dingelstädter zwangsrekrutiert.

An den Befreiungskriegen 1813 bis 1815 beteiligten sich auch viele Dingelstädter. Im Ergebnis des Wiener Kongresses wurde das Eichsfeld 1816 geteilt. Das Untereichsfeld kam an das Königreich Hannover und das Obereichsfeld an Preußen.

Am 15. 04. 1838 brach wieder ein großes Feuer aus, bei dem 195 Wohnhäuser und die Marienkirche zerstört wurden. Bei diesem Brand wurden ca. 1400 Menschen obdachlos.

Im Revolutionsjahr 1849 nahmen Dingelstädter im Mühlhäuser Landwehrbatallion am Feldzug vom 08. 05. bis 12. 10. in Baden teil. Im Oktober desselben Jahrs wurde in Dingelstädt eine Bürgerwehr gebildet, die mit Lanzen ausgerüstet war.

Aufgrund seiner wirtschaftlichen Entwicklung wird der Marktflecken am 14. 02. 1859 durch preußische Kabinettsorder zur Stadt erhoben. Erster Bürgermeister wurde der Apotheker und damalige Dorfschulze Eduard Schweikert.

Gleichzeitig erhielt der Ort durch das Preußische Heroldsamt ein neues Wappen bestätigt. Es zeigt auf silbernem Grund einen bewurzelten grünen Eichenbaum, um dessen Stamm ein goldener Ring schwebt. Die Eiche soll auf die Zugehörigkeit zum Eichsfeld hinweisen, der Ring symbolisiert die einstige Gerichtstätte.

1864 wurde mit dem Bau eines Franziskanerklosters auf dem Kerbschen Berg in Dingelstädt begonnen. Der Kerbsche Berg war in altgermanischer Zeit eine Kultstätte und Wallburg und später Sitz der Herren von Kirchberg (Wüstung Herzwinkel).

Am 31. 05. 1864 wurde auch der Grundstein für den Bau der evangelischen Kirche in der Lindenstraße gelegt

Am 06. 09. 1904 brach der letzte große Brand in Dingelstädt aus. In der Wollwarenfabrik Engelhardt, die in den Gebäuden der alten Posthalterei untergebracht war, hatten sich Gase entzündet und in wenigen Minuten stand die ganze Fabrik in Flammen. Es brannten infolge über 50 Häuser der oberen Wilhelmstraße, der Bahnhofstrasse und der Heiligenstädter Strasse ab. Das gesamte Stadtzentrum wurde ein Raub der Flammen. Der Schaden betrug 1,5 bis 2 Millionen Reichsmark.

1904 / 1905 wurde das St.-Josefs-Institut (heute Gymnasium) neben dem Riethstieg als Neobarockbau errichtet

In einem hohen Maße verdankte Dingelstädt seine wirtschaftliche Entwicklung der günstigen Lage im Straßennetz. Bereits im Mittelalter durchschnitt eine wichtige Verbindungsstraße das Eichsfeld. Sie verlief von Braunschweig über Osterode - Wulften – Gieboldehausen – Duderstadt – Heiligenstadt – Dingelstädt – Mühlhausen nach Erfurt. Die Ansiedlung, kurz vor der Eichsfelder Höhe gelegen, prädestinierte sich als Rast- und Ausspannort. Mit dem Bau der Eisenbahnlinie Leinefelde – Treysa (Kanonenbahn) erhielt die Stadt 1880 Anschluss an das Eisenbahnnetz. Diese Eisenbahnstrecke wurde 1992 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt. Das Eisenbahnviadukt von Lengenfeld unterm Stein wurde zuletzt am 01. 01. 1992 durch einen Sonderzug für Eisenbahnfans befahren. Eine Sanierung des Viadukts war wirtschaftlich nicht mehr vertretbar. Der Zugverkehr ging dann noch nur noch bis Dingelstädt - Küllstedt, die Strecke Leinefelde - Geismar wurde dann  aber bald ganz stillgelegt.

Bis zum Jahr 2001  kreuzten sich in der Stadt einige wichtige Verkehrsachsen, so die B 247 Northeim – Gotha – die L I Dingelstädt – Heiligenstadt – Göttingen und L II Dingelstädt – Eschwege. Die B 247 führt seit 2001 nicht mehr durch den Ort, sondern führt als Umgehungsstraße an Dingelstädt vorbei.

Schon im Mittelalter war das Handwerk in vielartigen Sparten im Flecken vertreten. Vor dem Dreißigjährigen Krieg konnte hier von einer Blüte des Handwerks gesprochen werden. Schon 1611 bestätigte die bischöflich-kurfürstliche Regierung in Mainz für die im Flecken bestehenden Gilden je eine Zunftsordnung. Nach dem Dreißigjährigem Krieg wurde die Raschweberei eingesetzt, in deren folge entstanden Wollkämmereien, Spinnereien, Webereien, Walkereien und Färbereien. Die landwirtschaftliche Orientierung des Marktfleckens war damit stark im Rückgang begriffen. 1782 wurde in Dingelstädt die Weberei Kunckel gegründet, in der ca. 1500 Webstühle standen. Im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts war infolge von Absatzstockungen die Blütezeit der Weberei vorbei und es verbreitete sich eine hohe Arbeitslosigkeit, welche mit Nahrungslosigkeit verbunden war. Das Eichsfeld wurde in dieser Zeit zum „Armenhaus Deutschlands". Viele Dingelstädter wurden so zu Wanderarbeitern und Hausierern, um nicht verhungern zu müssen.

1905 wurde ein Gaswerk erbaut, um vorrangig eine Straßenbeleuchtung zu gewährleisten. 1926 erfolgte der Ausbau eines elektrischen Ortsnetzes und 1927 erfolgte der Bau einer Wasserleitung. Das Gaswerk ist Heute abgerissen. Das Obereichsfeld bezieht seit 1991 Ferngas aus Hessen.

Nach dem 1. Weltkrieg kam es dann auch wieder in Dingelstädt zu größerer Arbeitslosigkeit.

Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Betriebe verstaatlicht. Bedeutend waren die Textilindustrie (EOW) der Landmaschinenbau (DIMA) die Zigarrenfabrikation und die Polstermöbelproduktion. Mit der Zerschlagung der staatlichen Betriebe durch eine "Treuhandanstalt" nach der "Wende" 1990 wurden wieder viele Dingelstädter arbeitslos. Die Errichtung von zwei Gewerbegebieten nach 1990 war hier nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Heute sind in Dingelstädt über 300 Handwerks- und Gewerbebetriebe, bei einer aber immer noch relativ hohen Arbeitslosigkeit, ansässig.

Stärkste politische Partei seit 1990 ist, wie überall im Eichsfeld, die CDU. Es muss anerkannt werden, dass sich seit 1990 viel am Ortsbild von Dingelstädt, was Verschönerungen betrifft, getan hat. Das betrifft hauptsächlich das Stadtzentrum Wilhelmstraße (Geschwister-Scholl-Straße) , die Lindenstraße und den Anger.  Auf dem Anger wurde an der Stelle des abgerissenen Sockels des Kriegerdenkmals die von einem Künstler geschaffene sogenannte Breikuchen-Gruppe neu aufgestellt. 

Die neue Umgehungsstraße von Leinefelde nach Mühlhausen hat sich sehr wohltuend auf den Straßenverkehr und Lärm in der  Innenstadt ausgewirkt. Der Verkehr in der Innenstadt reduzierte sich von 14500 Fahrzeugen auf nur noch 5000 pro Tag. Nach fast zweieinhalbjähriger Bauzeit konnte diese am 18.08.2001 freigegeben werden.  Negativ in diesem Zusammenhang ist allerdings auch zu sehen, dass sich die Umgehungsstraße ungünstig auf den Einzelhandel in der Innenstadt ausgewirkt hat. Einige Geschäfte stehen leer und sind zu verpachten. Mit dieser Umgehungsstraße und der neuen Umgehungsstraße in Leinefelde, sind die Dingelstädter jetzt sehr schnell auf der neuen Autobahn (A 38) bei Leinefelde mit Direktanschluss nach Kassel, Göttingen, Nordhausen, Halle und Leipzig.

 

Jährlich wird in der Stadt durch die im Ort ansässigen Vereine ein Breikuchenfest veranstaltet. Im Jahr 2009 wird das 150. Jubiläum des Stadtrechtes gefeiert.